Pressebericht von der 3. Emder Tagung
Reformierte Theologie bei Ostfriesentee
Familiär und herzlich ging es zu bei der „3. Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protestantismus“. Und da spielte wie im Jahr 1999 eine stattliche Gruppe von Teilnehmern aus unserer kleinen bayerischen Kirche eine nicht unerhebliche Rolle. Prof. Alasdair Heron und Dr. Matthias Freudenberg vom Erlanger Lehrstuhl, die von Anfang an stark an der Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Tagung beteiligt waren, konnten am Ende hochzufrieden sein: Über 100 Teilnehmer aus dem In- und Ausland, selbst der neue ungarische Bischof der Reformierten, Pfarrer Dr. Michael Márkus, darunter Akademiker wie auch Presbyter und ganz „normale“ Gemeindeglieder, hörten und lernten gemeinsam vom 18.-20. März 2001. Das Ambiente der beeindruckenden Johannes a Lasco Bibliothek mit ihrer baulichen Spannung zwischen Mittelalter und Moderne lud ein, über Vorträge, Diskussionen und Gesprächsrunden die Begegnung und Auseinandersetzung mit der reformierten Tradition zu suchen und Perspektiven für sie zu entwickeln. Nach Eilsum und Norden führte eine Exkursion, um auch das reformierte Umfeld näher kennen zu lernen. Zum ersten Mal gab es vorab einen besonderen Preis: Benannt nach dem reformierten Kirchengeschichtler J.F. Gerhard Goeters wurde er einem jungen Akademiker aus der Schweiz verliehen, der sich eingehend mit dem Einfluß von Duns Scotus auf den Reformator Ulrich Zwingli beschäftigt hat.
Einer der Höhepunkte der Tagung sollte mit dem Besuch von Präses Manfred Kock von der unierten Ev. Kirche im Rheinland, zugleich EKD-Ratsvorsitzender, erreicht werden. Gemeinsam mit unserem Landessuperintendenten Walter Herrenbrück drückte er Bewunderung und Anerkennung für diese neue Art von Tagung aus, auf der es nicht hochakademisch zugeht, sondern immer wieder gefragt wird, wie wir unsere reformierte Tradition in den Gemeinden weiter fruchtbar machen können. Kein Wunder, daß diese neue Art des „lernenden Begegnens“ immer mehr Zuspruch erlebt und auch künftig im Zweijahresrhythmus in Emden stattfinden soll. „Wir spielen im Konzert der Konfessionen nach wie vor eine bedeutende Rolle“, meinte Prof. Jörg Haustein (Bonn) in einem der Vorträge. Dabei drücke das Wort „reformiert“ weniger einen bestimmten konfessionellen Status aus, vielmehr bezeichne es einen von Gottes Geist und Wort stets neu angestoßenen Prozeß, eine permanente Aufgabe. Insofern seien alle Christen auf bestimmte Weise „reformiert“. Mit dem betonten „Gott allein die Ehre“ und einem deutlichen „Nein zu aller Kreaturvergötterung“ seien wir Reformierten heute stark im ökumenischen Konzert gefordert und gefragt.
Nicht nur wer den Weg von Bayern hinauf bis an den Deich auf sich genommen hatte, fuhr zufrieden und gestärkt wieder heim. Dem Moderamen unserer bayerischen Kirche sei auch an dieser Stelle herzlich für die finanzielle Unterstützung gedankt! Im März 2003 soll die „4. Emder Tagung“ stattfinden, und wer schon einmal mit dabei war, wird die Werbetrommel rühren. In so einer harmonischen Atmosphäre wünscht man sich weitere Tagungen! Übrigens: Die „Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus e.V.“, die die Emder Tagungen veranstaltet, ist im Internet unter der Adresse www.ref-kirchengeschichte.de zu erreichen.
Dieter Krabbe
Reformierte Geschichte und Gegenwart
Die Johannes a Lasco Bibliothek zu Emden umfasst Bücher aus einem über 450 Jahre alten Archiv bis hin zu einem Internet-Informationssystem für den weltweiten reformierten Protestantismus. Ihr Gebäude, die Ruine der ehemaligen Großen Kirche, ist eine gelungene Kombination aus altem Klinker und modernster Glasbautechnik. Beide, die Bibliothek und ihr Gebäude, sind ein Zeichen für die Kohärenz von Geschichte und Moderne und haben Symbolwert für die 3. Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protestantismus, die vom 18.-20.3.2001 ebendort stattfand. Über hundert Interessierte, nicht nur reformierter Prägung, befassten sich mit reformierter Kirchen- und Theologiegeschichte aus fünf Jahrhunderten. Sie begannen mit der Moderne: Reformierte Theologie und Kirche an der Schwelle zum neuen Millennium, reflektiert und pointiert durch Prof. Dr. Jörg Haustein (Bonn). Sie richteten dann während zwanzig folgender Kurzreferate den Blick zurück in das reiche Erbe des reformierten Protestantismus. Dabei stellten die Vortragenden entweder einzelne Persönlichkeiten vor (z.B. Johannes Zwick, Johann Caspar Lavater, Carl Bernhard Hundeshagen, Tullio Vinay, Heinrich Oltmann), fokussierten Ausschnitte aus dem Werk großer reformierter Theologen (so Zwinglis Haltung gegenüber den Juden, das promissio-Verständnis Bullingers, Calvins Predigten zum Deuteronomium, Karl Barths Ablehnung eines Bekenntnisses im Oktober 1933) oder zeigten anhand einer systematisch-theologischen Frage Besonderheiten des reformierten Protestantismus auf, wobei die Prädestinationslehre eine hervorgehobene Rolle spielte. Erfreulich war nicht nur, dass die Tagungsteilnehmenden durch den Wechsel von Gruppe zu Gruppe wie schon in den anderen Jahren Gelegenheit zu einem Streifzug durch die Jahrhunderte hatten; erfreulich war auch, dass viele Referate in Klarheit und Verständlichkeit auch dem Nichttheologen zugänglich waren. Mehr als bei den ersten beiden Tagungen nutzten einige Referent/-innen dieses Forum auch, um ihre Projekte als Werkstattberichte vorzustellen. Sie nahmen dabei Fragen und Anregungen des Publikums zur Weiterarbeit dankbar auf. Dies ist für Vortragende und Zuhörende bereichernd! Für kommende Tagungen wäre es wünschenswert, gezielt auch Referenten aus anderen Kontexten um Vorträge zu bitten. So könnte die Erforschung des reformierten Protestantismus auch geographisch in die Breite gehen und Impulse etwa aus Mittel- und Osteuropa oder aus Korea aufnehmen. Die Kooperation zwischen Kirche und Universität, zwischen dem Reformierten Bund und ausländischen Stipendiaten reformierter Prägung könnte dafür gestärkt und genutzt werden. Ein Hauch des europäischen Protestantismus umwehte die Zuhörenden durch den Vortrag von Prof. Dr. Emidio Campi (Zürich), der die bisher unbekannte Korrespondenz zwischen Pietro Paolo Vergerio und Heinrich Bullinger vorstellte. Hier traten neben den theologischen auch mentale und psychologische Faktoren hervor, die den Gang der Reformation beeinflussten.
Ein weiterer Hauptvortrag von Prof. Gerlinde Strohmaier-Wiederanders (Berlin) über Reformierte Kirchenbaukonzepte vom 16.-18. Jahrhundert in Deutschland wurde ergänzt durch den Ausflug zur reformierten Kirche in Eilsum und zu zwei Kirchen in Norden, darunter die Ludgeri-Kirche, in der die berühmten Arp Schnitger Orgel zu hören war. Prof. Dr. Alasdair Heron (Erlangen) bündelte in seinem Schlussreferat reformierte Theologie anhand eines zentralen Themas „Zum Begriff des Bundes im reformierten Protestantismus“ reformierte Theologiegeschichte. In der sich anschließenden Diskussion zeigte sich noch einmal deutlich das Interesse der Zuhörenden: die historischen Positionen für ihre reformierte Identität heute fruchtbar zu machen. Wie lesen wir heute den Bundesschluss in 1. Mose 9 vor dem Hintergrund der bedrohten Erde? Wie zukunftsfähig ist der Bundesbegriff für ein verpflichtetes Bündnis in der Ökumene? Wie interpretieren wir den Bundesbegriff im Hinblick auf das Gespräch mit jüdischen Geschwistern und innerhalb der eigenen Gemeinde? Die Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus (www.ref-kirchengeschichte.de) mit ihrem neuen Vorsitzenden, dem Gemeindepfarrer Dr. Jan Marius Lange van Ravenswaay (Neermoorpolder), wird auch in Zukunft mit der Auswahl der Referenten und Themen Sorge dafür tragen, dass die Geschichte auf ihre aktuelle Bedeutung hin befragt werden kann. Durch ihre Namensänderung von der Historischen Kommission zur Gesellschaft wird deutlich, dass reformierter Protestantismus in die Öffentlichkeit, zuerst in die Gemeinden, wirken will. Dass dabei die Wissenschaftlichkeit keineswegs zu kurz kommt, zeigt der erstmals in diesem Jahr verliehene und mit 3000,- DM dotierte J.F. Gerhard Goeters Preis, mit dem die Promotionsschrift „Infiniti Contemplatio. Grundzüge der Scotus- und Scotismusrezeption im Werk Huldrych Zwinglis“ des Schweizer Nachwuchswissenschaftlers Daniel Bolliger ausgezeichnet wurde.
Dr. Gesine von Kloeden