Eine schöne, glatte Oberfläche. Ein Himmel geht über allen auf, dehnt sich, soweit das Auge reicht. Unter diesem Himmel werden alle Unterschiede klein und verschwimmen in dem großen Ganzen. Und natürlich scheint die Sonne, liegt das Licht auf dem Wasser, sind die Wolken zu vernachlässigen. So ist das, wenn man glaubt. Das dachte ich auf meinen ersten Kirchentag, in der Jugend meines Glaubens, als wir sangen „Der Himmel geht über allen auf“. Und der Himmel geht nicht nur über allen auf. Er geht auch auf alle über. Das wird ja himmlisch, wenn wir zusammen sind. Heute, um einige Jahrzehnte und Erfahrungen im Leben und Glauben reicher sage ich. Nein, himmlisch ist es nicht, wenn wir zusammen sind, auch nicht in der Gemeinschaft der Heiligen. Oder erst recht nicht dort. In höchstem Maße irdisch ist es.
Der Himmel, der Geist, geht nicht so einfach auf alle über. Es bleiben die kleineren und größeren Inseln der persönlichen Eitelkeiten. Am Horizont jeder Gemeinschaft erhebt sich gewaltig der Wunsch, es zu sagen zu haben. Und unter der glatten Oberfläche des „wir sind eine Gemeinde“ türmen sich unterseeische Gebirge, an denen man hervorragend Schiffbruch erleiden kann. Der einzige Trost: Es war nie anders. Denn damals, als alles begann mit den Christinnen und Christen, begann auch das.
In den Briefen, die Paulus schreibt, ist höchstens das Papier glatt. Er tut nichts anderes, als sie zusammenzuhalten, wenn sie sich in Gruppen und Kreise aufteilen wollen, wenn die gefürchteten Stimmen in der Gemeinde laut werden. Er schlichtet den Streit, den sie miteinander haben und erträgt geduldig, dass sich ihre Aggressionen am Ende auch noch gegen ihnen wenden.
Die uns zugeteilten Gaben sind verschieden, der Geist jedoch ist derselbe.
Die Dienste sind verschieden, der Herr aber ist derselbe.
Das Wirken der Kräfte ist verschieden, Gott jedoch ist derselbe, der alles in allen wirkt.
Jedem wird die Offenbarung des Geistes so zuteil, dass es allen zugute kommt.
Der Geist, den ihr habt, ist ein Geist der Vielfalt, schreibt er ihnen. Wir sind verschieden, verschieden, verschieden, die Gaben, die Dienste, die Kräfte. Es gibt kleinere und größere Inselbegabungen unter uns, auch alles überragende Geistesgrößen und stille Kräfte, die man erst dann entdeckt, wenn die glatte Oberfläche zerreißt. Wir sind verschieden begabt, verschieden begeistert und begeisterungsfähig, verschieden belastbar.
Nur Gottes Geist ist derselbe, derselbe, derselbe, aber trotzdem kein Geist der Gleichmacherei. Er wird nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Jede und jeder bekommt ihn, jeder und jede unterschiedlich. Niemand geht leer aus. „Alle Glaubenden haben als Glieder Gemeinschaft an dem Herrn Jesus Christus und an allen seinen Schätzen und Gaben.“ (HK 55)
Der Geist Gottes ist eine Gabe, ein Geschenk. Und das nimmt man ja auch nicht und schaut dann zuerst danach, was denn wohl die anderen bekommen haben. Wie kindisch wäre das. Man freut sich an dem, was man selbst bekommen hat und gebraucht es gerne, willig und mit Freuden. Und möglichst so, dass es anderen zugute kommt.
Eine Oberfläche, glatt und schön, ein Himmel, der auf alle übergeht, ein Geist wie Licht auf dem Wasser und zarte Wolken. Dass Gott uns so zu sehen bekommt, falls Gott von oben auf uns sieht, und nicht so viel von unseren Inseleien, unseren Gipfelstürmereien, unseren Untiefen. Das wünsche ich mir.
Und wenn man mich fragt:
Was glaubst du von der Gemeinschaft der Heiligen?
Dann sage ich: Dass wir sie nicht machen.
Aber dass wir sie sind.
Amen