Umgeben von lieblichen Hügeln
und blühenden Wandelröschenbüschen
liegt der Ort des Grauens.
Murambi, früher einmal eine Schule,
mit vielen Klassenräumen auf weitem Gelände.
Am 21.4.94 wurden dort in einer einzigen Nacht
mehr als 40 000 Tutsis geschlachtet
von einem Mob von Mördern aus der Umgebung.
Der Bürgermeister der nächstgelegenen Gemeinde
gratulierte am Morgen zu der „guten Arbeit“
Pfarrer feierten Dankgottesdienste.
Die Franzosen errichteten Volleyballfelder
auf den Massengräbern,
um zu vertuschen,
was unter ihren Augen geschah.
Jetzt spielen Kinder vor den Toren.
Wir stehen vor den vielen Fotographien der Toten.
Lucy zeigt auf Gesichter:
Den kannte ich, und diesen da auch.
Diese hier war meine Freundin.
Auch Lucys Mann wurde ermordet.
Ihre Tochter verlor darüber ihren Verstand.
Als wir den Raum mit mumifizierten Kinderkörpern betreten
ist sie es, die mich tröstet.
Und am Ende sagt sie:
Wir leben!
Was ist recht?
Ein Junge, dessen Eltern ermordet wurden,
geht zu den Rebellen.
Er foltert, tötet, begräbt Menschen lebendig.
Mit fünfzehn wird er gefangen genommen.
Ein Offizier hat Mitleid.
Er lässt ihn laufen.
Eine Familie nimmt ihn bei sich auf,
schickt ihn zur Schule,
weiß nichts von seiner Vergangenheit.
Nun will er Medizin studieren,
um Leben zu retten,
um Menschen neue Zukunft zu geben.
Darf er seiner Strafe entkommen?
Was ist Recht?
Es ist ein schönes, wohlhabendes Viertel in Goma.
Alle Häuser haben WC und Dusche,
einen Kühlschrank und elektrische Küchengeräte.
Aber in diesem schönen, wohlhabenden Viertel
gibt es kein Wasser
und oft keinen Strom.
Die Insignien des Fortschritts
werden zu Attrappen
und man kocht nach alter Weise
auf offenem Feuer
und holt das Wasser
in großen Kanistern
von weither.
Sylvia Bukowski, März 2014