Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1528–1572)
Jeanne d´Albret (1528–1572) war die bedeutendste Frau in der Geschichte der Hugenotten im 16. Jahrhundert. Besonders in ihrem Witwenstand, in den letzten zehn Jahren ihres Lebens, baute sie eine reformierte Kirche in Béarn auf und war das politische Oberhaupt der Hugenotten im dritten Religionskrieg (1568–1570). Nach 1570 versuchte sie, die Reformierten zu schützen und ihnen einen gesicherten Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. Sie handelte für die Hugenotten den Friedensschluss von St. Germain 1570 aus, und durch die Heirat ihres Sohnes Heinrich (später Heinrich IV. von Frankreich) mit Margarete von Valois, Schwester des Königs Karl IX. von Frankreich, strebte sie eine enge Verbindung von Hugenotten und Katholiken an.
Keine andere Frau hatte eine solche Machtposition unter den Hugenotten in Frankreich inne. Sie war respektiert und gefürchtet in Rom und Madrid, alliiert mit Elizabeth von England und befreundet mit Katharina von Medici – keine unkomplizierte Freundschaft zwischen zwei starke Frauen.
Sie sorgte dafür, dass ihre Kinder – Heinrich und Katharina – im reformierten Glauben erzogen wurden. Jahrelang kämpfte Heinrich als Anführer der Hugenotten und von einer Machtbasis in Südfrankreich aus um die französische Krone, bis er 1589 König von Frankreich wurde und schließlich 1593 zum katholischen Glauben übertrat, um das Land zu befrieden.
Jeanne d´Albret war nicht nur Mutter ihres berühmten Sohnes, sie war auch selbst eine machtvolle Frau in Frankreich, da ihre Position als Anführerin der Hugenotten ihr einen Einfluss weit über die Grenzen ihres kleinen Königreiches zusicherte.
Jugend und Ehe (1528-1555)
Jeanne d´Albret wurde am 7. November 1528 auf dem Schloss Blois von Margarete und Heinrich II. von Navarra geboren. Ihre Mutter wusste angeblich, dass sie eine Tochter gebären würde, ihr sehnlichster Wunsch war freilich nach einem Sohn. Jeanne blieb das einzige Kind aus dieser Ehe, Margarete von Navarra gebar zwar kurz danach einen Sohn, der als Kleinkind starb, und alle übrigen Hoffnungen auf Schwangerschaften zerschlugen sich.
Die kleine Prinzessin konnte von ihrem Vater das Königreich Navarra erben, weil dort das salische Gesetz, das in Frankreich weibliche Thronerben verbot, nicht gültig war. Außerdem war das vicomté Béarn selbständig. Deswegen waren die zwei Großmächte Spanien und Frankreich zutiefst an diesen Grenzregionen interessiert. Frankreich wollte seine Südgrenze verteidigen, und Spanien beide Seiten der Pyrenäen besitzen, um in Frankreich einfallen zu können. Zudem war die väterliche Familie von Albret Großgrundbesitzer in Südwestfrankreich und damit Vasall des französischen Königs. Das frühere Aquitanien hatte mehrere hundert Jahre der englischen Krone gehört und war spät von England aufgegeben worden. Im 16. Jahrhundert wurde das Gebiet meistens als Guyenne bezeichnet.
In ihren jungen Jahren wuchs Jeanne in der Normandie auf. Ihre Mutter, Margarete von Navarra, hatte die Aufgabe, die königlichen Kinder ihres Bruders, Franz I., zu erziehen. Sie gab Jeanne in die Obhut ihrer Freundin Aymée de Lafayette, Vogtin von Caen. Man behauptet, sie sei die Vorlage für die Figur Longarine in Heptameron (vgl. Nielsen). Nach meiner Auffassung sind die Erzähler/innen im Heptameron, die sogenannten devisants, eher Typen als historische Persönlichkeiten, die Figur der Longarine ist allerdings eine sehr sympathische Frau mit Humor und Pfiff. Wenn Aymée de Lafayette die Vorlage zu Longarine abgegeben haben soll, deutet alles darauf hin, dass Margarete sie sehr schätzte und meinte, ihre Tochter sei bei ihr gut aufgehoben.
Jeanne wuchs in einem landadligen Milieu auf, umgeben von Wald, Wiesen und Tieren, mit den Mitgliedern der Familie von Aymée de Lafayette als Bezugspersonen, bis sie zehn Jahre alt war. Ihre Mutter sah sie selten, aber jedes Mal, wenn sie krank war, war Margarete sofort zur Stelle. 1538 ließ Franz I. sie nach Plessis-lez-Tours bei der Loire übersiedeln, da sie jetzt ein Alter erreicht hatte, wo sie auf dem Heiratsmarkt von Interesse war. Der König konnte über seine Verwandte entscheiden und Ehen arrangieren, wie es ihm passte.
1540 war es für Jeanne so weit. Herzog Wilhelm der Reiche von Kleve-Jülich-Berg hatte 1538 das Herzogtum Geldern geerbt. Sein Erbanspruch wurde von Kaiser Karl V. angefochten und auf dem Reichstag zu Regensburg wurde dem Kaiser Geldern zugeteilt. 1539 folgte Wilhelm seinem Vater auf dem Thron nach, und um sich vor den Ansprüchen des Kaisers zu schützen, arrangierte er eine Ehe mit Heinrich VIII. von England für seine Schwester Anna, und selbst verbündete er sich mit Franz I. Als Unterpfand für dieses Bündnis sollte er Jeanne d´Albret heiraten.
Was jetzt passierte, ist absolut ungewöhnlich: Jeanne weigerte sich. Die Zwölfjährige ließ ihrem Onkel wissen, dass sie den Herzog nicht heiraten möchte, und sie ließ zwei Schreiben aufsetzen, in welchen sie erklärte, dass sie gegen ihren Willen zu dieser Ehe gezwungen worden sei. Natürlich konnte sie sich nicht auf Dauer gegen den Willen des Königs auflehnen, aber bei der Hochzeitszeremonie am 14. Juni 1541 weigerte sie sich, zum Altar zu schreiten, stattdessen musste sie getragen werden. Ihr Jawort war nicht hörbar und wegen ihres Alters wurde die Ehe nicht vollzogen, der Herzog setzte nur symbolisch ein Bein in ihr Bett. Nach der Hochzeit kehrte er zurück nach Düsseldorf, während Jeanne vorläufig in Frankreich blieb.
1543 griff Kaiser Karl Kleve-Jülich-Berg an, der Herzog wurde geschlagen und musste Geldern Karl V. überlassen. Am Frieden von Venlo im September 1543 hob er das Bündnis mit Franz I. auf und verbündete sich stattdessen mit dem Kaiser. Damit war auch die französische Ehe hinfällig geworden, 1545 wurde sie vom Papst wegen Nichtvollzug annulliert, und der Herzog vermählte sich mit einer Nichte des Kaisers.
Nach kanonischem Recht durfte bei einer Eheschließung keine Zwang im Spiel sei. Die Eheleute mussten ihr Gelübde frei abgeben. Damals konnten junge Frauen aus adligen oder königlichen Familien sich ihre Ehepartner nicht selbst aussuchen, sondern wurden als politische Garanten vermählt, und die meisten fanden sich damit ab, weil das ihr Standesbild entsprach. Jeannes Ablehnung, so wie ihre Kenntnis des kanonischen Rechts, ist erklärungsbedürftig.
Eine mögliche Erklärung ist, dass ihre Eltern für sie eine Ehe mit dem Kronprinzen Philipp von Spanien anstrebten. Königin von Spanien war natürlich prestigeträchtiger als Herzogin von Kleve zu sein, aber vor allem erhoffte sich ihr Vater damit den spanischen Teil von Navarra zurückzugewinnen. 1512 hatten die Spanier Navarra, das Baskenland, bis zu den Pyrenäen erobert und den Albrets nur das winzige Gebiet auf der französischen Seite gelassen. Seitdem überlegten sich die Könige von Navarra, wie sie zu ihrem ganzen Erbe kommen konnten, und eine Ehe zwischen dem Infanten von Spanien und der zukünftigen Königin von Navarra würde genau dies herbeiführen.
Jeanne war möglicherweise auch beeinflusst von einer Erklärung der Ständeversammlung von Béarn, die eine auswärtige Ehe für ihre Kronprinzessin ablehnte.
Sah Jeanne d´Albret ihre Zukunft gefährdet durch eine Ehe mit dem Herzog von Kleve? Oder tat sie, was ihre Eltern wünschten, statt des Königs Willen zu erfüllen? Stammten ihre Kenntnisse des kanonischen Rechts von denen? Margareta von Navarra schrieb ihrem Bruder, sie habe keine Ahnung, was in das Mädchen gefahren sei, aber stimmt das? Hat sie Jeanne mit ihrer Ablehnung der Ehe geholfen aus Liebe (Cholakian & Cholakian), oder aus Ehrgeiz? Es besteht kein Zweifel, dass königliche Kinder damals frühreif waren und in jungen Jahren schon an ihre späteren Aufgaben geführt wurden, trotzdem ist die Zähigkeit und Sturheit des Mädchens erstaunlich.
1547 starb Franz I. und als Jeanne zwanzig Jahre alt war, bot der Nachfolger, Heinrich II. von Frankreich, ihr gleich zwei Heiratskandidaten an: den Herzog Franz von Aumale (der spätere erzkatholische Herzog Franz von Guise) und Anton von Bourbon, Herzog von Vendôme. Der letztere war Erbprinz und vielleicht deshalb für Jeanne die bessere Partie, obwohl er relativ arm war. Er war hochgewachsen – was für einen Bourbon eher selten war – und charmant, wie alle Männer in seiner Familie scheint er ein unverbesserlicher Schürzenjäger gewesen zu sein. Heinrich IV. von Frankreich, der vert galant, hatte seine ausgelebte Sexualität nicht von Fremden, ebenso wenig wie sein militärisches Können und seinen Mut.
Jeanne und Anton von Bourbon heirateten 1548 und sie war überglücklich. Heinrich II. schrieb in einem Brief, dass er selten eine Braut erlebt habe, die immer nur lachte. Diese Ehe war aus Liebe geschlossen, und Anton von Bourbon nahm seine Frau mit, als er in den Krieg zog. Der Kriegsschauplatz war Flandern, und da der Herzog Güter in Nordfrankreich besaß, zog Jeanne in den ersten Jahren ihrer Ehe von Schloss zu Schloss, immer in der Hoffnung, dass sie und Anton von Bourbon sich treffen könnten.
1551 gebar sie ihren ersten Sohn und gab ihn an Aymée de Lafayette, die sie selbst erzogen hatte. Ob nun Frau de Lafayette alt oder übervorsichtig geworden war, der kleine Herzog von Beaumont starb als Kleinkind, angeblich weil er von Wärme erstickt worden sei.
Bald wurde Jeanne wieder schwanger, und während ihr ältester Sohn in Nordfrankreich geboren war, sollte das zweite Kind in Béarn zu Welt kommen. Sie unternahm die lange Reise nach Süden und kam gerade rechtzeitig in Pau an, 14 Tage bevor sie von ihrem zweiten Sohn, Heinrich, auf dem Schloss in Pau entbunden wurde. Es wurde entschieden, dass dieser Junge in Pau bleiben sollte. Der Großvater, Heinrich d´Albret, wollte wahrscheinlich mit diesem kleinen Prinzen die Erbfolge in Béarn und Navarra sichern. Die Legenden von der rauen Erziehung Heinrichs seitens des Großvaters können jedoch nicht wahr sein, allein weil das Kind die ersten Jahre von Ammen betreut wurde, und der Großvater starb, als es zwei Jahre alt war. Es scheint in Béarn Sitte gewesen zu sein, die Lippen des Täuflings mit Rotwein und Knoblauch einzureiben, eine Taufe à la Gascogne, aber die Mär, dass Heinrich barfuß unter den Hirten in den Bergen aufgewachsen sein soll, ist reine Legende. Der spätere Hauslehrer Heinrichs, Palma Cayet, schrieb, als Heinrich schon König von Frankreich war, seine Biographie, und daher stammt der Bericht vom Opa und von seiner rauen Erziehung. Dieser Kindheitsbericht ist eher Propaganda des Königs, wie er gerne gesehen werden möchte.
Tatsächlich kam Heinrich in die Obhut der Familie de Miossens, die auf dem Schloss Coarraze wohnte. Die Frau, Suzanne de Bourbon-Miossens, war eine Cousine von Jeanne. Heinrich wurde demnach genau wie seine Mutter als Landadliger erzogen, und er wuchs in einer Familie mit anderen Söhnen auf, die als Erwachsene seine Gefolgsleute werden sollten. Als seine Mutter den Thron erbte, wurde er schon als Kleinkind als Kronprinz behandelt.
Die zwei Jahre zwischen Heinrichs Geburt 1553 und ihre Thronbesteigung 1555 verbrachte Jeanne wiederum in Nordfrankreich in der Nähe ihres Gatten. In dieser Zeit gebar sie einen dritten Jungen, der jedoch nicht lange lebte. Es muss hinzugefügt werden, dass Anton von Bourbon 1554 einen außerehelichen Sohn, Karl von Bourbon, mit einer Hofdame bekam. Jeanne hatte bereits mehrere Onkel, die illegitim waren, und sie scheint den kleinen Karl in ihrer Familie aufgenommen zu haben. Er wurde später Erzbischof von Rouen.
Erst als der Vater gestorben war, zog sie als Königin nach Pau und obwohl sie die Erbin war, ließ sich ihr Mann als König huldigen, was die Ständeversammlung eigentlich gar nicht wollte, dennoch ordneten sie sich dem Willen Jeannes unter.
Königin an der Seite von Anton von Bourbon (1555–1560)
Ihr Vater hatte Jeanne ein blühendes Land hinterlassen. Er hatte Industrien nach Béarn geholt, das Steuersystem effektiv gestaltet und für den religiösen Frieden gesorgt. Große Einkünfte entstanden auch durch seine Posten als Gouverneur und Admiral der französischen Krone in Guyenne. Anton von Bourbon bekam diese Posten nach seinem verstorbenen Schwiegervater, und später hat sein Sohn, Heinrich von Navarra, sie übernommen. Jeanne und Antoine standen als die größten Grundbesitzer Südwestfrankreichs finanziell sehr gut da.
1555 find Calvin seine missionarische Tätigkeit in Frankreich an. Reformierte gab es in Südwestfrankreich zu diesem Zeitpunkt längst, weil Margareta von Navarra sie mit Predigern unterstützt hatte und Gérard Roussel, einen Reformkatholiken, als Bischof in Orthez, eingesetzt hatte. Dieser Roussel war einmal Weggefährte Calvins gewesen, und dieser warf ihm vor, nicht konsequent genug zu sein, als er die Stelle als katholischer Bischof trotz seiner reformatorischen Sympathien annahm (CStA I,1).
Als Königin hatte Jeanne bei ihrer Krönung versprechen müssen, die katholische Religion zu verteidigen. Am selben Tag, nachdem sie diesen feierlichen Eid abgelegt hatte, schrieb sie an einen Vasallen, dem vicomte von Gourdon, und erzählte ihm, sie wolle über die Förderung des reformierten Glaubens im kleinem Kreis heimlich beraten. Dieser Brief ist Teil eines Briefwechsels mit zwei vicomtes de Gourdon, Vater und Sohn, die die gesamte Regierungszeit Jeannes überdauerte. Die Briefsammlung wurde im vorigen Jahrhundert entdeckt und gibt viele neue Einsichten in die Vorhaben und die Beweggründe Jeannes. Da die entdeckten Briefe uns nur als teilweise fehlerhafte Kopien vorliegen, haben viele Forscher die Briefe als Fälschungen abgetan (Text und Diskussion bei Bryson).
Der erste Brief vom August 1555 teilt uns mit, dass Jeanne schon zu diesem Zeitpunkt reformierte Sympathien deutlich aussprach. Sie schrieb dem vicomte, dass ihre Mutter sich zwischen den zwei Religionen nicht habe entscheiden können, und dass sie selbst aus Furcht vor ihrem Vater bislang nicht gewagt habe, sich offen zum Protestantismus zu bekennen. Das Edikt von Chateaubriant von 1551 verbot eindeutig jede „Ketzerei“ und deshalb schlug sie vor, die Reformierten sollten sich heimlich auf dem Schloss Odos treffen.
Es gibt sonst keine Quellen, die belegen könnten, dass Jeanne mit dem reformierten Glauben in Berührung kam. Es gab in ganz Frankreich zu der Zeit kleine zerstreute Gemeinden, sowie Prediger und Kolporteure, die reformatorische Bücher schmuggelten. Die wiederholten Verbote des Königs konnten das nicht unterbinden, sie führten nur dazu, dass Protestanten, wie Jeanne, sich heimlich treffen mussten.
In den Jahren nach 1555 verbreitete sich der reformierte Glaube mehr und mehr im Hochadel. Auch Anton von Bourbon wurde davon ergriffen, brachte reformierte Prediger nach Béarn und als er und Jeanne 1558 mit Heinrich nach Paris zogen, nahm er an großen psalmensingenden Demonstrationen außerhalb der Stadtmauern von Paris teil. Calvin war darüber hoch erfreut, denn er setzte in seiner Missionsarbeit gerne auf hochrangige Persönlichkeiten. Jeanne dagegen verhielt sich während dieser Zeit bedeckt.
In Paris kam sie mit ihrem vierten Kind, einer Tochter namens Katharina, nieder. Das kleine Mädchen war das einzige Kind, das bei Jeanne aufwachsen durfte, obwohl sie (natürlich) Erzieherinnen und Gouvernanten hatte.
Anton von Bourbon fiel nicht nur mit protestantischen Sympathien auf, sondern wie sein Schwiegervater versuchte er, den spanischen Teil von Navarra zurückzugewinnen. Heinrich d´Albret hatte seinen Besitz gut und gewinnbringend regiert, während Anton von Bourbon seiner Frau die Regierungsgeschäfte überließ, und selbst nur versuchte, ein größeres Königsreich für sich zu gewinnen. So konnte der spanische König Philipp ihm einen Tausch, erst mit dem Herzogtum Milano und später mit Sardinien, anbieten. Damit hätte Spanien den Sprung über die Pyrenäen geschafft und Südfrankreich bedrohen können. Wir würden solches Taktieren mit dem Feind Hochverrat nennen, damals räumte man freilich Adligen große Freiheiten ein, sich einen Herren auszusuchen, aber Anton von Bourbon wurde auch von den Zeitgenossen als unzuverlässig und unverantwortlich angesehen, und nicht zuletzt war er so politisch ungeschickt, dass es an Dummheit grenzte (Sutherland 1984).
Im Sommer 1559 starb Heinrich II. von Frankreich unerwartet. Sein Sohn Franz II. folgte ihm als nur fünfzehnjähriger Knabe auf dem Thron. In dieser Situation war die traditionelle Lösung, dass der erste erwachsene Erbprinz, Anton von Bourbon, ihn unterstützen sollte, und Calvin ermahnte ihn eindringlich, dieses Amt zu übernehmen und dabei den Hugenotten zu helfen. Anton von Bourbon verspielte diese Chance und überließ die Regierungsgeschäfte der Familie von Guise, besonders dem Herzog von Guise und dem Kardinal von Lorraine, die beide die antiketzerische Politik des verstorbenen Königs weiterführen wollten. Nach dem Tod Heinrichs II. bekannten sich mehrere hochrangige Adlige offen zum Protestantismus und es gab im März 1560 sogar einen hugenottischen Komplott, den König zu entführen und von seinen „schlechten Ratgebern“ zu trennen. Anton von Bourbon und sein jüngerer Bruder, der Prinz von Condé, beide notorische Reformierte, wurden wegen diesem Angriff auf den König angeklagt. Anton von Bourbon versprach Besserung, während sein Bruder, der Prinz Ludwig von Condé zum Tode verurteilt wurde. Nur der plötzliche Tod des jungen Königs rettete ihn vor der Hinrichtung. Da der neue König, Karl IX., ein zehnjähriges Kind war, brauchte Frankreich einen Regenten, nämlich den ranghöchsten Erbprinz Anton von Bourbon. Wiederum ergriff dieser nicht die Chance. Katharina von Medici ließ sich stattdessen als Regentin einsetzen und Anton von Bourbon wurde zum Generalstatthalter ernannt. Die Hugenotten mit Calvin an der Spitze waren zutiefst enttäuscht. In diesen Jahren hatte der reformierte Glaube großen Zulauf, es wurde von mehreren Tausend Gottesdienstbesuchern überall in Frankreich berichtet, von Abendmahlgottesdiensten, die zwei Tage dauerten und von Bekehrungen am Hof und im Hochadel.
1560 verließ Jeanne Paris, um zurück nach Pau zu fahren. Theodorus Beza, der engste Mitarbeiter Calvins, besuchte sie dort, und es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit, die bis Jeannes Tod dauerte. Beza versorgte sie mit Predigern und Beratern für ihr Land. Im Dezember 1560 unternahm Jeanne den entscheidenden Schritt und bekehrte sich öffentlich zum reformierten Glauben. Während ihr Gatte nicht in der Lage war, sich an die Spitze der Hugenotten zu setzen, wurde sie jetzt die leitende Hugenottin in Frankreich.
Reformierte Königin (1560–1568)
Jeanne d´Albret war zweifelsohne eine tief religiöse Frau. Lange Zeit hatte sie äußerste Diskretion walten lassen, zwar mit ihrem Gatten reformierte Prediger gehört, aber sich niemals offen zum reformierten Glauben bekannt. Erst nachdem Anton von Bourbon sich mit dem Posten als lieutenant générale abgefunden hatte, kam sie aus der Deckung.
Es war eine Zeit, wo alle große Hoffnungen bzw. Ängste für den Protestantismus in Frankreich hegten. Drei wichtige Katholiken – der Herzog von Guise, der Konstabel von Montmorency und der Marschall St. André – schlossen sich zusammen, um Frankreich gegen die Reformierten zu schützen. Sie planten den Sturz von Anton von Bourbon und einen Angriff auf Genf mit der Hilfe des Herzogs von Savoyen, zu dessen Besitz Genf bis 1534 gehört hatte. Dieses Triumvirat war der erste Vorbote der katholischen Liga, die später Heinrich IV. hartnäckig bekämpfte (Sutherland 1973).
1560 war noch zu erwarten, dass der Protestantismus nach Frankreich gekommen war, um zu bleiben. Jeanne war sich sehr bewusst, welche Gefahren ihr von Spanien, vom Papst und von der mächtigen Familie von Guise drohten. Sie hatte noch die Hoffnung, dass der junge König Karl IX., Katharina von Medici und ihr Kanzler, der tolerante Michel de l´Hôpital, die Reformierten unterstützen würden, zumal die Königinmutter sich selbst von denen von Guise bedrängt fühlte.
Diese letzte Hoffnung erwies sich als trügerisch, aber niemals wich Jeanne später vom einmal eingeschlagenen Kurs ab. Sie konnte weder geldwerte Vorteile noch politisches Kapital aus ihren Glauben schlagen, dafür hielt sie konsequent an ihrer Überzeugung fest.
In Béarn machte sie erste vorsichtige Schritte, um das Land zu reformieren. Es gab schon Reformierte dort, und Prediger hatten angefangen, den neuen Glauben zu verbreiten, Jeanne aber träumte von einem reformierten Land, und fing langsam und vorsichtig an, diesen Traum zu verwirklichen.
Der erste Schritt war, den reformierten Glauben dem Katholizismus rechtlich gleich zu stellen. Die Kirchen wurden für beide Religionen geöffnet (das sogenannte simultaneum) und aus den Kirchen in Lescar und Pau wurden Bilder und Statuen entfernt, allerdings nicht in Form eines Bildersturms, sondern von den Behörden. Jeanne beschlagnahmte das kirchliche Vermögen nicht für sich selbst, sondern investierte es in Sozialfürsorge und Bildung.
Es ist klar, dass sie den reformierten Glauben einführen wollte, aber zu keinem Zeitpunkt vefolgte sie Andersgläubige, geschweige denn verbrannte sie. Immer setzte sie auf Überredung.
Im August 1561 begab sie sich wieder zum Hof. Überall wurde sie stürmisch von Hugenotten begrüßt, als ob sie „der Messias sei“, bemerkte verärgert der spanische Gesandte. Katharina von Medici hatte zu einem Religionsgespräch eingeladen. Dieses Gespräch fand in Poissy außerhalb Paris statt. Seitens der Krone war gewiss an eine Versöhnung oder gar einen Ausgleich zwischen den Religionen gedacht, die reformierten Teilnehmer mit Beza an der Spitze mochten jedoch keine Kompromisse eingehen. Beza wurde unterstützt von Calvin in Genf, der selbst zu krank war, um mitzukommen. Calvin war mit den Auftritten und Reden Bezas zufrieden, während z.B. der Admiral Coligny Beza als reichlich provokant wahrnahm.
Im Herbst 1562 blieb Jeanne mit ihren Kindern beim Hofe. Katharina von Medici suchte auch nach den Religionsgesprächen eine Übereinkunft mit den Protestanten, was in dem Edikt vom 17. Januar 1562 – auch Edikt von St. Germain genannt – gipfelte. Dieses Edikt, an dem der Kanzler Michel de l´Hôpital und Beza beteiligt waren, erlaubte es den Hugenotten, außerhalb der Städte Gottesdienste zu halten. Es war das günstigste Edikt, das sie jemals erlangen sollten, das Edikt von Nantes 1598 war ihm sehr ähnlich, aber nicht ganz so großzügig. Der Unterschied war, dass Heinrich IV. dafür sorgte, dass das Edikt von Nantes durchgeführt wurde, während alle frühere Edikte, so wohlgemeint sie auf dem Papier auch waren, von katholischen Behörden unterlaufen wurden, und der König zu schwach war, um für ihre Durchführung zu sorgen.
Im März 1562 massakrierte der Herzog von Guise eine reformierte Gemeinde, die innerhalb des Städtchens Wassy Gottesdienst feierte. Damit war die Versöhnungspolitik Katharinas von Medici gescheitert. Die Hugenotten unter dem Prinzen von Condé griffen zu den Waffen und Anton von Bourbon bat Jeanne den Hof zu verlassen. Er behielt seinen Sohn Heinrich bei sich, entließ aber dessen hugenottischen Hauslehrer. Jeanne beschwor ihren Sohn, nicht zur Messe zu gehen, und der junge Prinz hielt sich wohl auch ein paar Wochen daran, musste sich aber schließlich fügen. Nach ihrem Fortgang vom Hofe trat Jeanne eine monatelange abenteuerliche Reise durch Frankreich an, so gefährlich, dass die ersten Briefen von der Hand Heinrichs seine Ängste um seine Mutter bezeugen. Ihre kleine Tochter Katharina durfte sie behalten.
Im ersten Religionskrieg führte Anton von Bourbon die königlichen katholischen Truppen gegen die Hugenotten. Bei der Belagerung von Rouen wurde er verwundet und starb am 17. November. Der junge Heinrich blieb am Hofe in der Obhut Katharinas von Medici, die allerdings Jeanne gestattete, ihm wieder reformierte Hauslehrer zu geben. Sie sollte ihn erst 1564 wiedersehen.
Die Kirche in Béarn und Navarra
Ihre große Aufgabe sah Jeanne darin, die Reformation in Béarn durchzuführen.
Calvin stellte ihr Jean Raymond Merlin zur Seite, den früheren Professor für Hebräisch in Lausanne, wo er Kollege von Beza, dem Professor für Griechisch, und von Pierre Viret, dem Rektor der Akademie, gewesen war. Pierre Viret arbeitete nach seiner Zeit in Lausanne und Genf vor allem in Frankreich, besonders in den Kirchen von Lyons und Nîmes. Später sollte er für Jeanne d´Albret ihre Akademie in Orthez aufbauen. Merlin war übrigens mit einer Tochter von Marie Dentière verheiratet, derjenigen, die vor Jahren Jeanne eine selbstgeschriebene hebräische Grammatik zugesandt hatte (vgl. Graesslé13f.; Nielsen).
Merlin ging voll Eifer an die Aufgabe, eine reformierte Kirche in Béarn aufzubauen. Es gab viele Reformierte in Südfrankreich, aber meistens unter städtischen Eliten und Handwerkern. Die Reformierten waren meistens des Lesens fähig, vor allem des Lesen französischer Texte. In Südwestfrankreich sprach die Bevölkerung die langue d´oc, die alte oczitanische Sprache, in irgendeiner Form. Die Gascogne hatte ihre Sprache, in der ein Neues Testament und fünfzig Psalmen übersetzt wurden, und Béarn hatte béarnais sogar als Amtssprache. Hinzu kam, dass die Bevölkerung in Navarra Baskisch sprach. Wenn Merlin das ganze Land reformieren sollte, musste er diese Sprachbarrieren überwinden, denn die Landbevölkerung musste erreicht und für die Reformation gewonnen werden.
Jeanne d´Albret beauftragte eine Übersetzung des Neuen Testaments ins Baskische, und eine Übertragung der Psalmen, der Zehn Gebote, der Liturgie und des Katechismus Calvins in die Sprache Béarns. Der Anwalt, später Pastor, Arnaud de la Salette, stellte 1571 diese Übersetzung fertig, und obwohl sie erst 1583 gedruckt wurde, darf man annehmen, dass in der Zwischenzeit Manuskriptkopien verwendet wurden. Pastoren, die die béarnesische oder die baskische Sprache beherrschten, wurde händeringend gesucht, und von den Anderen wurde ausdrücklich verlangt, dass sie es lernen sollten. Katecheten, die vermutlich Landeskinder waren, wurden in die Gemeinden geschickt.
Allmählich verbot Jeanne katholische Riten und Gebräuche, zuerst die Fronleichnamsprozessionen, danach Maibäume und Jahrmärkte. Dann wurde die Messe abgeschafft. Der Dom von Lescar und die Kirche St. Martin in Pau wurden leergeräumt, und die dort befindlichen Schätze verkauft.
Für Merlin konnte dies nicht schnell genug gehen. In seinen Briefen an Calvin klagte er seine Not: die Bevölkerung sei stur – diese Holzköpfe! - und die Königin zu langsam und vorsichtig (CO 20, Nr. 3988 & Nr. 4061). Merlin hatte übrigens auch früher in Montargis Probleme mit Renée de France gehabt, Herzogin von Ferrara, die in ihrem Gebiet so vorsichtig war wie Jeanne in Béarn (vgl. Lambin, 2). Jeanne bekam Klagen auf der jährlichen Ständeversammlung, wo die Katholiken über den Verlust alter Freiheiten und Rechte klagten. In den sechziger Jahren musste sie mehrmals Aufstände niederschlagen.
Der Nachfolger für Merlin war Pierre Viret, der enge Freund Calvins. Er war Pastor und Rektor für die Akademie in Lausanne – mit Beza und Merlin als Kollegen – gewesen. Wegen eines Streits mit dem Stadtrat in Bern, übersiedelten 1559 alle Professoren nach Genf, um dort in der neu errichteten Akademie zu unterrichten. Von Genf begab Viret sich nach Frankreich, wo er in Lyon als Pastor arbeitete, danach leitete er die Nationalsynode in Nîmes und schließlich folgte er dem Ruf nach Béarn. Seine wesentlichste Aufgabe war es, die Akademie in Orthez aufzubauen. Die Fächer Theologie, Hebräisch, Griechisch, Philosophie und Mathematik wurden dort unterrichtet, während es keine Anzeigen für Professuren in Jura und Medizin gibt.
Vor ihrer akademischen Laufbahn absolvierten die Jungen eine fünfjährigen Ausbildung in einer Lateinschule (collège), während die Grundschule sowohl Jungen wie Mädchen unterrichtete, die Mädchen allerdings getrennt mit weiblichen Lehrkräften. Damit wurde das kleine Béarn das erste Land Europas, welches kostenlosen Unterricht für Mädchen zusicherte, und zwar mit der interessanten Begründung, dass sie so im Stande waren, ihr Brot zu verdienen und sich der Gesellschaft nützlich zu machen („Pareil rolle sera aussy faict des filles qui sont en bas aage et qui n´ont nul moyen de vivre et de s´entretenir, par toutes les églises, afin que de mesmes deniers et en écolle séparée elles soient enseignées, nourries et tenues par des femmes sages et pudiques, par leur industrie pouvoir aprés se nourrir et entretenir et servir au public“. Art. 32 der Verfassung der Akademie von 1566, zitiert nach Desplat 2004). Desplat unterstreicht die säkulare Ausrichtung der Ausbildung. Allgemein wird behauptet, der Zweck des Unterrichts in protestantischen Ländern sei, die Bevölkerung des Lesens der Bibel und des Katechismus zu befähigen. Hier werden nur die Vorteile eines Schulunterrichts für die Gesellschaft betont.
Die Akademie wurde 1566 geöffnet. Die ersten protestantischen Akademiegründungen in Frankreich fanden in Nîmes (1562) und Montpellier statt. Vorrangiges Ziel war es, die Kirchen mit Pastoren zu versorgen, da die Akademie in Genf die steigende Nachfrage der Gemeinden kaum nachkommen konnte. Da Papst Pius V. die katholischen Universitäten angewiesen hatte, Protestanten die Abschlüsse zu verweigern (Maag 2002, 140), brauchten junge Hugenotten ihre eigenen Universitäten, die dann auch gegründet wurden, vor allem in Leiden und Heidelberg, aber auch in Frankreich und benachbarten Gebieten wie Béarn, Orange und Sedan, die alle zu diesem Zeitpunkt unabhängig waren.
Jeanne hatte sehr gute Gründe, langsam und überlegt vorzugehen. Der Kardinal von Armagnac ließ sie wissen, dass sie die Bevölkerung Béarns in Ruhe lassen sollte, ihre Untertanen wollten ihren Katholizismus nicht aufgeben. Jeanne antwortete, dass sie in Béarn nur Gott über sich habe, dort könne sie ihrem Gewissen folgen, und in ihrem Land werde niemand wegen seines Glaubens verfolgt. Das letzte war ihr ein Anliegen, denn 1571 schrieb sie an ihren Statthalter, den Baron d´Arros, dass in ihrem Land niemand zum Glauben je gezwungen worden war und es auch nicht werden sollte („...intention n´a point esté et n´est encores qu´ilz soyent contraints par force et violence de se reanger à ladite Religion“, d´Aas 2002, 452).
Als sie sich bei der Einführung der Reformation in ihren Ländern unnachgiebig zeigte, zitierte der Papst sie nach Rom zwecks eines Ketzerprozesses. Da sie dieser Einladung nicht folgte, exkommunizierte er sie. Der Bann war eine ernste Bedrohung, da jeder katholische Herrscher jetzt das Recht hatte, ihre Länder an sich zu reißen und sie abzusetzen, eine Chance, die Philipp II. von Spanien sich nicht entgehen lassen würde. Katharina von Medici verteidigte deshalb Jeanne, weil sie keine spanische Präsenz auf der französischen Seite der Pyrenäen dulden wollte. Außerdem war sie eine Verfechterin der gallikanischen Freiheit der französischen Kirche und meinte deshalb, der Papst solle sich nicht in die Angelegenheiten der Kirche einmischen.
Königin der Hugenotten
Nach dem ersten Religionskrieg (1562-63) ließ Katharina von Medici den jungen Karl IX. mündig erklären und führte ihn mit dem Hof auf eine große Frankreichreise, die mehrere Jahre dauerte. Der Zweck dieser Reise war es, den König dem Volk zu zeigen, und damit die Loyalität der Bevölkerung zu erhalten. Jeanne wurde als Vasallin einberufen und stieß Ende Mai 1564 zum Zug in Macon.
Ihr Sohn Heinrich nahm auch Teil an diese Reise und seinetwegen stritten die zwei Königinnen sich, weil Jeanne ihn bei ihren protestantischen Gottesdiensten dabei haben wollte, und Katharina wünschte, dass er mit der königlichen Familie zur Messe gehe. Schließlich sandte Karl IX. Jeanne zu ihrem Besitz in Vendôme, während Heinrich als Gouverneur von Guyenne den Zug begleitete und in den Städten für den feierlichen Empfang des Königs sorgte.
Jeanne durfte nicht mit nach Bayonne, wo Katharina ihrer Tochter Elizabeth, Königin von Spanien, begegnen wollte. Philipp II. sandte als seinen Gesandten den Herzog von Alba, der auf dem Weg in die Niederlande war. Die Hugenotten waren später überzeugt, dass Alba und die Königinmutter in Bayonne ihre Ausrottung geplant hatten. Sicher ist, dass Alba in den Niederlanden mit aller Härte gegen die Protestanten vorging, und es ist durchaus möglich, dass er versuchte, Katharina auf seinen mörderischen Kurs einzustimmen. Schon 1568 – also vor der Bartholomäusnacht! – schrieb Jeanne, dass die Waffen, die gegen die Hugenotten verwendet werden sollten, in Bayonne geschmiedet worden seien (Ample déclaration).
Jeanne und Heinrich trafen sich später in Paris. 1566 ersuchte sie erneut um Erlaubnis, mit ihren beiden Kindern nach Béarn zu fahren, was ausgeschlagen wurde. Sie erhielt aber Erlaubnis, ihren Sohn in seinen französischen Ländereien herumzuführen, und Anfang 1567 reiste sie dann mit ihm nach Vendôme, und von dort setzte sie sich unerlaubt ab nach Béarn. Damit machte sie laut des Biographen Heinrichs, Pierre Babelon, aus einem französischen Prinzen einen Ausländer, und vor allem einen Hugenotten.
Von 1567 an arbeitete Jeanne für die Zukunft ihres Sohnes. Ihre Lebensaufgabe, schrieb sie selbst, sei: Gott, Königtum und ihr Blut. Mit Gott war die reformierte Religion, die wahre Kirche Gottes, gemeint. Mit dem König ihr Status als Vasallin und – trotz Béarn – als Französin, und mit dem „Blut“, die Familie, zuallererst ihr Sohn Heinrich. Er sollte von jetzt an kein Höfling mehr sein, sondern die Aufgaben eines Regenten lernen. Als ein Aufstand in Navarra niedergeschlagen worden war, wurde er dorthin geschickt, um die Basken zu befrieden. Als 14jähriger hielt er für seine Untertanen eine Rede, in welcher er ihr Fehlverhalten geißelte, ihnen die Gunst der Königin zusicherte, falls sie sich verbessern würden, und seinen berühmten Charme mit seinem Autoritätsanspruch verband.
Im Herbst 1567 versuchten die Hugenotten, die sich von der Aufrüstung des Königs bedroht fühlten, Karl IX. in ihre Gewalt zu bringen. Die Entführung missglückte, und die königliche Familie suchte, beschützt von den schweizerischen Söldnern, die die Ängste der Hugenotten verursacht hatten, Zuflucht in Paris. Die Hugenotten belagerten die Stadt. Im November wurden sie vor den Toren von St. Denis geschlagen und mussten sich in die Provinz zurückziehen, wo sie den Kampf bis zum Friedenschluss von Longjumeau im März 1568 fortsetzen.
Der Friedensvertrag war an sich nicht ungünstig für die Hugenotten, nur haperte es wie immer mit der Umsetzung. Katholische Behörden waren über die für die Hugenotten günstigen Bedingungen empört und setzten sie nicht um. Der Protestant La Noue schrieb in seinen Erinnerungen, dass der Krieg zwar viel Unheil bringe, aber dieser elende kleine Friedensvertrag sei viel schlimmer für die Reformierten, die in ihren Häuser umgebracht wurden, ohne dass sie sich zu wehren wagten („ …une guerre est misérable et qu´elle apporte avec soy beaucoup des maux…cette méchante petite paix est beaucoup pire pour ceux de la Réligion, qu´on assassinoit en leur maisons, et ne s´osoyent encores défendre“, d´Aas 2002, 382) Im Laufe des Sommers 1568 versuchten die Gruppierungen noch einmal miteinander zu reden, Karl IX. sandte einen Botschafter nach Béarn, und Jeanne verfasste ein Sendschreiben an den König mit dem Antrag, den Frieden in Guyenne wiederherzustellen.
In der Zwischenzeit fühlten sich der Prinz von Condé und der Admiral Coligny auf ihre Schlösser in Bourgogne zunehmend bedroht. Der Herzog von Alba wollte in den Niederlanden mit Feuer und Schwert den Protestantismus auszurotten, und Flüchtlinge berichteten ihnen von seinem Terror. Am 23. August 1568 flüchteten sie mit ihren Familien und Angehörigen über die Loire nach La Rochelle. Die Überquerung der Loire erinnerte fast an den biblischen Durchzug durchs Schilfmeer: so viele Hugenotten hatten sich angeschlossen, dass der Zug fast wie eine Völkerwanderung aussah, und die Loire hatte in der Augusthitze einen so niedrigen Wasserstand, dass Sandbanken in der Mitte auftauchten. Dementsprechend sangen alle Psalm 114 vom Auszug der Israeliten aus Ägypten, als sie hinüber waren. Die Parallele wurde noch einmal deutlich, als die königlichen Truppen, die sie verfolgten, wegen plötzlich einsetzenden Hochwassers den Fluss nicht überqueren konnten.
In dieser Situation war Jeanne zutiefst gespalten. Bislang hatte sie die Kriege moralisch unterstützt, aber nicht selbst teilgenommen. Falls es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen sollte, konnte sie immer mit ihren Kindern in der uneinnehmbaren Festung Navarrenx Zuflucht suchen. Sie hatte jedoch ihren Sohn, der als zukünftiger Führer der Hugenotten das Kriegshandwerk lernen sollte, und so musste sie wählen, ob sie in Béarn unter ihrem Volk bleiben oder sich den Hugenotten anschließen sollte: „ich hatte den Krieg im Bauch“ schrieb sie danach („J´eu la guerre en mes entrailles“, Ample declaration). Sie setzte den Baron d´Arros als Statthalter ein, und Anfang September begab sie sich in Eilmarsch nach La Rochelle (Cocula 2004). Dort konnte sie ihren Sohn dem Prinzen von Condé überantworten. Sie schrieb unterwegs eine Reihe Briefe an Karl IX., an Katharina von Medici, an ihren Schwager, den Kardinal von Bourbon und an die Königin Elizabeth von England, um ihren Entschluss zu begründen. Angekommen in La Rochelle schrieb sie eine Erklärung („Ample declaration“) um der Öffentlichkeit zu erklären, warum sie sich der hugenottischen Armee zugesellte.
Die Hugenotten unter ihren Anführer aus der königlichen Familie wollten nicht als Aufrührer dastehen. Sie behaupteten, die erzkatholische Partei sei schuld daran, dass königliche Befehle nicht vollzogen wurden. Die Katholiken mit ihren Verbindungen nach Spanien und Rom seien Landesverräter. Die Politik des Kardinals von Lorraine verdient laut Sutherland (1974) keinen anderer Namen. Wenn Jeanne vom Frieden sprach, meinte sie eine Duldung der Hugenotten in Frankreich. Die Forderungen der Hugenotten waren immer dieselbe: Erlaubnis, Gottesdienste zu feiern, Gerichte mit zur Hälfte hugenottischen Richtern, sichere Zufluchtsstädte – deren Anzahl schwankte in den Verhandlungen – und Zugang zu Ausbildung und Beamtenstellen gleichrangig mit den Katholiken. Die Provinz Languedoc unter dem moderat katholischen Gouverneur Montmorency-Damville war ein friedlicher Ort in den Religionskriegen, weil Damville den Hugenotten solche Rechte einräumte, und die katholische Bevölkerung sich damit abfand.
Im März 1569 fand eine Schlacht bei Jarnac statt. Der Prinz von Condé kämpfte mit, wurde verwundet und nach der Schlacht ermordet. Es gelang Admiral Coligny, die hugenottischen Truppen zusammenzuhalten, aber der Verlust des Prinzen war ein herber Schlag. Heinrich von Navarra war jetzt der ranghöchste Prinz, und zusammen mit seinem Vetter, dem gleichaltrigen Heinrich von Condé, wurde er jetzt Oberbefehlshaber über die Armee der Prinzen. In Wirklichkeit lag die Verantwortung für die Kriegsführung bei dem erfahrenen Admiral, und die beiden Prinzen wurden seine Pagen genannt.
Jeanne blieb in La Rochelle, während Coligny mit den Prinzen im Krieg war, und sie konnte, unterstützt von einem Rat adliger Hugenotten, die „Regierungsgeschäfte“ regeln. Sie schrieb an England und nach Deutschland. Sie unterzeichnete Erlässe, versuchte Geld für das Heer aufzutreiben, pfändete ihren schönsten Schmuck für einen Kriegsdarlehen an Elizabeth von England und ließ ein Kriegsschiff namens „Die Hugenottin“ bauen.
So wie sie immer behauptete, nicht gegen den König, sondern gegen seine schlechten Ratgeber zu kämpfen, so behauptete Karl IX., dass sie in La Rochelle von den Hugenotten gefangen gehalten wurde, und er ließ den Baron Terride mit einer „Befreiungsarmee“ in Béarn einfallen. In kürzester Zeit waren ganz Béarn und Navarra erobert und zum Katholizismus zurückgeführt. Nur der Baron d`Arros hielt im Navarrenx stand. Um ihre Länder zurückzuerobern, sandte Jeanne den Graf von Montgommery mit einer „Hilfsarmee“ nach Navarrenx. In noch kürzerer Zeit als Terride gebraucht hatte, verjagte er ihn aus Béarn. Die Befreiung von Terride wurde in Pau mit einem Festgottesdienst gefeiert, wobei Pierre Viret über Psalm 124, 7: „Unsere Seele ist aus dem Netz des Vogelfängers entkommen“ predigte.
Vom Winter 1569 bis zum Frühjahr 1570 führte Coligny sein Heer mit den Prinzen Heinrich von Navarra und Heinrich von Condé durch ganz Südfrankreich und von Provence nach Norden, bis er Paris bedrohte. Der König hatte kein Geld mehr, um Krieg zu führen, und musste notgedrungen Friedensverhandlungen einleiten. Im August 1570 wurde dann der Frieden von St. Germain geschlossen. Wiederum war Jeanne d´Albret diejenige, die auf Augenhöhe mit dem König verhandeln konnte. Der Vertragstext erklärt immer wieder, dass der König die Bedingungen seiner Tante erfüllen wollte (Sutherland 1980, Potter 1997).
Jeanne blieb vorläufig in La Rochelle. Im April 1571 fand dort die Nationalsynode der reformierten Kirchen Frankreichs statt. Theodor Beza kam aus Genf angereist, um die Synode zu leiten. Pierre Viret wollte teilnehmen, starb aber vorher, vermutlich hatte seine Gesundheit in der Gefangenschaft unter Baron Terride gelitten. Auf der Synode wurde das französische Glaubensbekenntnis von 1559 neu verhandelt und die endgültige Fassung als „Bekenntnis von La Rochelle“ beschlossen. Darüber hinaus wurde eine Kirchenordnung für Béarn beschlossen, und die Synode diskutierte Fragen, die Jeanne d´Albret gestellt hatte. Als Ersatz für Pierre Viret bekam sie Nicolas des Gallars zur Seite gestellt. Er war Calvins Sekretär gewesen, danach hatte er die „Strangers´ Church“, die Kirche für Ausländer in London, als Nachfolger für Johannes à Lasco geleitet und dann an Bezas Seite im Colloquium von Poissy 1561 gestanden. Er war Pastor in Orléans gewesen und wurde jetzt Seelsorger für Jeanne d´Albret und ihr theologischer Ratgeber für die Kirche in ihrem Land.
Er war eine gute Wahl, denn während Beza sehr an dem Konzept von Genf hing und ein presbyteriales Kirchenverständnis (Kingdon 1967) hatte, war des Gallars in England gewesen, als Königin Elizabeth nach dem Tod ihrer katholischen Schwester die anglikanische Kirche einführte. Außerdem behauptet Bernard Roussel (2004), dass er das Buch Martin Bucers „De regno Christi“ von 1550 mitbrachte. Dieses Buch ist dem englischen König Edward VI. gewidmet und beschreibt, wie ein König eine reformierte Kirche leiten kann. Damit hatte des Gallars ein Konzept für eine von einer Fürstin geleitete Kirche, die dann in den Jahren als Heinrich und Katharina von Navarra das Erbe der Mutter verwalteten, Bestand hatte.
Während Jeanne in La Rochelle noch weilte, ereilte sie ein Angebot von Katharina von Medici, ob ihren Sohn Heinrich die Tochter Katharinas heiraten mochte. Hugenotten und Katholiken würden sich versöhnen und die Häuser Valois und Bourbon sich nahekommen. Dieses Angebot war zu verlockend, um es auszuschlagen, aber Jeanne traute Katharina nicht so recht, jedenfalls wollte sie nicht gleich nach Paris ziehen, um über die Ehe zu verhandeln.
Stattdessen fuhr sie nach Pau zurück, führte die neu beschlossene Kirchenordnung ein und kümmerte sich um ihre Länder. Die Tuberkulose machte sich bemerkbar und sie wollte zur Kur in die Bergen fahren. Währenddessen zogen sich die Eheverhandlungen hin, bis Jeanne endlich im Frühjahr 1572 nach Paris zog. In den Briefen an ihren Sohn hört man von den Verhandlungen, von ihrer Missbilligung des höfischen Lebens und von ihrem Ärger mit Katharina. Jeanne wollte so viele Rechte wie möglich für ihren Sohn und die Hugenotten aushandeln. Am Ende musste sie es aufgeben, Margareta von Valois, Margot genannt, zum reformierten Glauben zu bekehren. Dafür hoffte sie aber, dass das Brautpaar nach Béarn ziehen würde. Eine königliche Mischehe war etwas ganz Neues und musste in Detail besprochen und geplant werden. Jeanne handelte das Meistmögliche für ihren Sohn aus und im April 1572 wurde eine Einigung erzielt. Heinrich sollte allerdings noch eine Weile in Béarn bleiben und Jeanne bereitete in Paris die Hochzeit vor.
Die zähen Verhandlungen im Frühjahr hatten viel Kraft gekostet, Jeanne hielt sich aber tapfer. Im Juni brach sie zusammen und starb am 9. Juni an der Tuberkulose, die sie seit Jahren geplagt hatte. Später entstanden Gerüchte, sie sei von Katharina von Medici vergiftet worden. Diese sollte ihr ein Paar Handschuhe, die von ihrem privaten Giftmischer präpariert worden seien, geschenkt haben. Da Katharina nach den Massakern von St. Bartholomäus, die in der Periode von August bis November 1572 stattfanden, von den Hugenotten als der Inbegriff des Bösen dargestellt wurde, gehört der Giftmord an Jeanne d´Albret zu den Verleumdungen.
Heinrich traf erst etwas später in Paris ein. Im Testament Jeannes hatte sie sich gewünscht, in Béarn bei ihrem Vater beerdigt zu werden. Ihr Sohn setzte sich über ihren letzten Willen hinweg: sie wurde nach Vendôme geführt und neben ihrem Mann, Anton von Bourbon, bestattet.
Trotz ihre Fähigkeiten wurde sie eine Fußnote in der Geschichte Frankreichs: ihr Sohn wurde zwar als Heinrich IV. König von Frankreich, aber er wurde katholisch und aus den Hugenotten wurde, dank des Ediktes von Nantes 1598, eine geduldete Minderheit. Die Kirche, die Jeanne in Béarn aufgebaut hatte, wurde unter ihrem Enkelsohn, Ludwig XIII., verboten. 1685 wurde dann das Edikt von Nantes aufgehoben, und die Reformierten wurden grausam verfolgt. Viele flüchteten, viele konvertierten und viele wurden umgebracht. Die großen Hoffnungen, die die Hugenotten um Jahr 1560, als Jeanne konvertierte, hegten, erwiesen sich als trügerisch.
Wenn auch letztlich nicht erfolgreich, war sie dennoch bewundernswert. Mit dem Admiral Coligny zusammen hatte sie den Frieden von St. Germain errungen, dann eine Landeskirche aufgebaut und ihre Kinder gefördert. Sie war die reformierte Präsenz in der königlichen Familie und in ihren letzten Jahren wurde sie die Königin der Hugenotten.
Stammtafeln der Familie von Valois und der Familie von Bourbon (PDF)
Literatur
Quellen:
Albret, Jeanne d´: Lettres suivies d´une ample Déclaration, ed. Bernard Berdou d´Aas, Biarritz 2007.
Bordenave, Nicolas de: Histoire du Béarn et de la Navarre, Paris 1873.
Bucer, Martin: De regno Christi: libri duo, 1550, ed. François Wendel, in: Robert Stupperich, Hrsg. Ser. 2, Opera latina Bd. 15,1, Gütersloh 1955. In: Studies in Medieval and Reformation Thought, Leiden 1982. „Du royaume de Jesus Christ“, édition critique de la traduction française de 1558/texte établi par François Wendel, Bd.15,2, Gütersloh 1954.
Calvin, Johannes: Calvini opera quae supersunt omnia (= CO), hrsg.v.W.Baum, E.Kunitz, E.Reuss, 59 Bde, Braunschweig/Berlin 1863-1900.
Calvin-Studienausgabe (= CStA), hrsg.v. E.Busch u.a., Neukirchen-Vluyn ab 1994.
Coudy, Julien, ed.: Die Hugenottenkriege in Augenzeugenberichten, Darmstadt 1965
Potter, David, ed.: The French Wars of religion, Selected Documents, London & New York 1997.
Ruble, Alphonse de: Le mariage de Jeanne d´Albret, Paris 1877.
Ruble, Alphonse de: Antoine de Bourbon et Jeanne d´Albret, Paris 1881, 1882, 1885 & 1886, 4 Bde.
Ruble, Alphonse de: Jeanne d´Albret et la guerre civile, Paris 1897.
Ruble, Alphonse de: Mémoires et poésies de Jeanne d´Albret, Paris 1893, Slatkine Reprints Genf 1970 (online auf Französisch: https://archive.org/details/mmoiresetposies00rublgoog).
Stegman, A.: Les édits des guerres de religion, Paris 1979.
Sekundärliteratur:
Aas, Bernard Berdou d´: Jeanne III d´Albret, Chronique 1528-1572, Anglet 2002.
Actes du colloque “Arnaud de Salette et son temps – Le Béarn sous Jeanne d´Albret”, Orthez 1984 (war mir leider nicht zugänglich).
Actes du colloque “L ´Amiral de Coligny et son Temps”, Paris 1974.
Actes du colloque “Jeanne d´Albret et sa cour”, Paris 2004.
Babelon, Pierre: Henri IV, Paris 1982.
Benedict, Philip, ed.: Reformation, Revolt and Civil War in France and the Netherlands 1555-1585, Amsterdam 1999.
Benedict, Philip: “Confessionalization in France? Critical reflections and new evidence”, in: Mentzer & Spicer: Society and Culture in the Huguenot World 1559-1685, Cambridge 2002.
Bryson, David: Queen Jeanne and the Promised Land, Dynasty, Homeland, Religion and Violence in Sixteenth Century France, Leiden 1999.
Buisseret, David: Henry IV, London 1984.
Cazaux, Yves: Jeanne d´Albret, Paris 1973.
Cholakian, Patricia F. & Cholakian, Rouben C.: Marguerite of Navarre, Mother of the Renaissance, New York 2006.
Cocula, Anne-Marie: ”Été 1568. Jeanne d´Albret et ses deux enfants sur le chemin de La Rochelle”, Actes du colloque ”Jeanne d´Albret et sa cour”, Paris 2004.
Desplat, Christian: “Jeanne d´Albret, un modèle d´éducation maternelle?”, in: Actes du colloque ”Jeanne d´Albret et sa cour”, Paris 2004.
Eurich, Amanda: “Le pays de Canaan”: L´évolution du pastorat béarnais sous Jeanne d´Albret”, in: Actes du colloque “Jeanne d´Albret et sa cour”, Paris 2004.
Graeslé, Isabelle: Vie et légendes de Marie Dentière, Bulletin du centre protestant d´études, Genéve 2003.
Greengrass, Mark: “The Calvinist experiment in Béarn”, in: A. Pettegree, A. Duke & G. Lewis: Calvinism in Europe 1540 - 1620, Cambridge 1994.
Kingdon, Robert M.: Geneva and the Consolidation of the French Protestant Movement 1564-1572, Genève 1967.
Knecht, R.J.: Catherine de´ Medicis, London 1998.
Kuperty-Tsur, Nadine: “Jeanne d´Albret ou la persuasion par la passion”, in: Actes du colloque “Jeanne d´Albret et sa cour”, Paris 2004.
Lambin, Rosine: Calvin und die adelige Frauen im französischen Protestantismus, http://www.reformiert-info.de/2304-0-0-20.html
Maag, Karin: “The Huguenot academies: preparing for an uncertain future”, in: Mentzer & Spicer: Society and Culture in the Huguenot World 1559-1685, Cambridge 2002.
Martin-Ulrich, Claudie: “Récit de vie, récit de mort: Le Brief discours sur la mort de la royne de Navarre, Jeanne d´Albret” in: Actes du colloque “Jeanne d´Albret et sa cour”, Paris 2004.
Mentzer, Raymond A. & Spicer, Andrew, eds.: Society and Culture in the Huguenot World 1559-1685, Cambridge 2002.
Nielsen, Merete: Theologie als Erzählung – erzählte Theologie, Das Heptameron von Margarete von Navarra, http://www.reformiert-info.de/side.php?news_id=5444&part_id=0&navi=4
Nielsen, Merete: Marie Dentière,
Erinnerungen an Johannes Calvin. Nachträge zum Calvin-Jahr 2009
von Martin Filitz, Halle
Vortrag auf derJahrestagung der ehemaligen ESG Halle am 26. April 2010 in Kloster Drübeck
Martin Filitz ''Erinnerungen an Johannes Calvin. Nachträge zum Calvin-Jahr''.pdf
1. Meditationen über das Jubiläum
Wir leben von Jubiläum zu Jubiläum. Jubiläen bestimmen den kulturellen Fahrplan unserer Gesellschaft. Jubiläen führen zu Ausstellungen, zu Vorträgen, zu Events aller Art, zu Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen, zu Filmen und wissenschaftlichen Konferenzen. Wovon würden wir kulturell leben, wenn es keine Jubiläen gäbe?
Wir müssten uns auf uns selbst besinnen, auf unsere kulturellen Errungenschaften. Wir müssten in der Gegenwart leben und die Gegenwart gestalten. Würde uns das gelingen? Wo sind unsere kulturellen Errungenschaften, wenn nicht in der Pflege der Vergangenheit? Archäologische Funde sind in der Lage Schlagzeilen zu machen, und der Fund des Grabes der Editha im Magdeburger Dom interessiert offenbar mehr Menschen als eine neu komponierte Oper von Adriana Hölzsky. Neue Bücher scheinen nur dann das Gemüt der Nation zu bewegen, wenn sie skandalträchtig sind. Genauso ist es mit Theaterinszenierungen und Kunstwerken. Wir tun uns schwer mit der zeitgenössischen Kultur und also verlegen wir uns auf Vergangenes, vermögen Größe und Bedeutung vor allem in dem zu erkennen, was einmal gewesen ist. Jubiläen kommen uns da sehr gelegen: 100. 200. Oder gar 500. Geburtstage lassen sich in großem Stil inszenieren, und diese Inszenierungen finden auch ihr Publikum. Wenn die Menschen in ihrer Gegenwart nicht zurecht kommen, dann verlegen sie sich auf die Vergangenheit. Sie beschäftigen sich mit Menschen, die sich nicht mehr wehren können, und deren Werk und Wirksamkeit unserer Deutung hilflos ausgeliefert sind.
Die Kirche ist in dieser Hinsicht Teil der Gesellschaft. Wie alle Welt, so orientiert auch sie sich an Jubiläen, an Jahrestagen von Geburt und Tod bedeutender Gestalten der Kirchengeschichte. Der kirchliche Amtskalender hat die Freundlichkeit, uns schon lange vor Jahresbeginn darauf hinzuweisen, wessen wir im kommenden Jahr besonders zu gedenken haben. Veröffentlichungen in der kirchlichen Presse und auf dem kirchlichen Buchmarkt – ganz zu schweigen vom Internet - tun ihr übriges. Und wir in den Gemeinden sind dankbar – lässt sich doch mit den Jubiläen ein wesentlicher Teil der Gemeindearbeit gestalten. So geben auch wir ein kulturelles Bild weiter, das weitgehend am Vergangenen orientiert ist. Ist die kirchliche Einmischung in die Fragen der Gegenwart weitgehend versiegt, umso stärker wird die Pflege dessen, was gewesen ist. Kirche als Museum? Kirche als Flucht aus der Gegenwart in ein vermeintlich bessere Vergangenheit?
Der Star des Protestantismus ist natürlich Martin Luther. Schier unerschöpflich sind die Feiern der Jubiläen, die sich n seiner Person festmachen: Eine ganze Dekade ist dem Reformationsjubiläum 2017 gewidmet. Stellen wurden eingerichtet, erhebliche Mittel beschafft, um die Lutherstätten auf einen restauratorisch akzeptablen Stand zu bringen. Ein Fahrplan wurde erstellt, wie die Reformationsdekade bis 2017 inhaltlich zu füllen ist. Aber auch abgesehen von diesen auf das große Jubiläum ausgerichteten Veranstaltungen: Alljährlich feiert man Luthers Hochzeit in Wittenberg. Jetzt hat man in Mansfeld den 522. Jahrestag der Einschulung Luthers gefeiert. Vor noch nicht allzu langer Zeit war in Halle eine Ausstellung zu sehen, die sich den Hinterlassenschaften der Abfallgruben aus Luthers Elternhaus in Mansfeld und aus der Abfallgrube – oder auch der Toilette – des Wittenberger Augustinerklosters gewidmet hat: wissenschaftlich auf hohem Niveau, publikumswirksam. Wer hätte je gedacht, die Würfel zu Gesicht zu bekommen, mit denen der kleine Martin Luther in Mansfeld vielleicht gespielt hat?
Die Tourismusbranche freut sich über die kirchlichen Jubiläen, über das Elisabethjahr, ebenso wie die Wiederentdeckung der Jakobspilger und natürlich auch über die Lutherdekade. Komplettpakete werden angeboten, in denen kirchengeschichtliche Inhalte touristisch erschlossen werden. Man verkauft Lutherbrot und Lutherbier. Es gibt keinen Event, der nicht auch ökonomisch begleitet würde. Menschen der Vergangenheit lassen sich auch gut vermarkten. Der Vorteil ist: wir können diese vergangenen Menschen nicht mehr fragen, ob sie mit der Vermarktung ihrer Person einverstanden gewesen wären. Bei Luther kann man es immerhin vermuten, dass er nicht damit einverstanden gewesen wäre, hielt er sich doch für einen stinkenden Madensack[1], dem besondere Aufmerksamkeit nicht zuteil werden sollte.
Es ist eine bemerkenswerte geistige Situation, die uns so auf die Vergangenheit verweist. Was sagt das aus über unsere Gegenwart? Ist es in Ordnung, dass wir weitgehend rückwärtsgewandt leben und uns der Vergangenheit mit einem technischen Aufwand zuwenden, den es so noch nie gab, dass es uns fast gelingt, die Vergangenheit digital wieder auferstehen zu lassen?
Jubiläumsbegängnisse müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie nur einer Nostalgie vermeintlich besserer Zeiten das Wort reden, oder ob sie auch kritisch danach fragen, welche Bedeutung der Jubilar und sein Werk für unsere Gegenwart haben, wie seine Gedanken unsere Gedanken befruchten können, wie seine Auslegung der biblischen Texte uns neue Impulse für unsere Schriftauslegung geben können. Die Glaubensgemeinschaft und die Zeugnisgemeinschaft reicht nach christlichem Verständnis über die Lebenden hinaus, aber sie richtet sich nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Gegenwart und auf die Zukunft. Die Väter und Mütter im Glauben können uns die Aufgabe, heute Kirche zu gestalten und heute das Evangelium weiterzusagen, nicht abnehmen. Das wird man bei der Feier der Jubiläen im Blick behalten. Das wird auch den Blick bestimmen, mit dem wir uns den Jubilaren nähern. Wir sind ihnen gegenüber dankbar, aber nicht unkritisch. Wir sehen ihre Verdienste, aber wir sehen auch unsere Grenzen. Wir erkennen, wie sie formuliert haben und wie wir heute neu und anders formulieren müssen, damit wir unserer Zeugnispflicht für das Evangelium heute gerecht werden können.
„Gedenkt der Lehrer – und Lehrerinnen – die euch das Wort Gottes weitergesagt haben „ – heißt es im Hebräerbrief (Hebr. 13,7). Glaube und Theologie beginnen nicht bei null. Wir stehen auf den Schultern anderer, die vor uns geglaubt, gebetet, nachgedacht und bekannt haben. Jubiläen sind verlässliche Erinnerungspunkte – aber sie sind kein Ersatz für das eigene glauben, bekennen, beten, und nachdenken. Jubiläen sind auch nicht dazu angetan, eine Heiligenverehrung zu beginnen, die vergangene Menschen und Zeiten verklärt. Es ist nicht einfach, die Balance zu halten. Und da war es nur gut, dass das Calvinjahr nur ein Jahr gedauert hat und keine Dekade, dass wir uns nach einer intensiven Erinnerungszeit nun wieder dem zuwenden können, was uns aufgetragen ist und was uns vor den Füßen liegt, bis ein neues Jubiläum unsere Aufmerksamkeit beansprucht und uns aus anderer Perspektive zu erneuerten Einsichten und Aussichten verhilft.
2. Johannes Calvin – vor 500 Jahren geboren
"Calvin ist ein Wasserfall, ein Urwald, ein Dämonisches, irgendetwas direkt vom Himalaja herunter, absolut chinesisch, wunderbar, mythologisch; es fehlen mir gänzlich die Organe, die Saugnäpfe, dieses Phänomen auch nur in mich aufzunehmen, geschweige denn richtig darzustellen…Ich könnte mich gut und gern hinsetzen und nun mein ganzes fernes Leben nur mit Calvin zuzubringen".
Karl Barth in einem Brief an Eduard Thurneysen am 8. Juni 1922[2]
Bevor ich zu den Ereignissen des Calvin Jahres komme, möchte ich noch einmal an einige Punkte aus der Biographie Calvins erinnern, die bei der Erinnerung seiner Wirksamkeit und bei der Darstellung seines Lebens besondere Beachtung gefunden haben.
Als Johannes Calvin am 10. Juli 1509 in Noyon geboren wird, hat sich die Zeitenwende angekündigt. Der Ruf der Humanisten „ad fontes“ zu den Quellen ist unüberhörbar laut geworden. Man bezieht sich auf die Antike Geisteshaltung als Maß des Menschlichen. Die Welt hat ihre engen Grenzen verloren. Der neue Kontinent jenseits des Ozeans ist entdeckt, der Seeweg nach Indien öffnet dem Handel neue Möglichkeiten. Europa wird in nie gekanntem Ausmaß mit dem Fremden konfrontiert. Die Veränderungen wirken sich aus. Martin Luther in Wittenberg ist von diesem neuen Geist ebenso angestoßen wie Huldrych Zwingli in Zürich und Martin Bucer in Straßburg. Für sie bedeutet das „ad fontes“ der Humanisten ein „zurück zur Bibel“ als dem alleinigen Maßstab für Glauben und Lehre der Kirche, für das Handeln des einzelnen Christen in der Welt ebenso wie für die Gestaltung des Gemeinwesens.
Johannes Calvin gehört zur zweiten Generation der Reformatoren. Martin Luther und Huldrych Zwingli sind 26 Jahre älter als Johannes Calvin. Als es bei Johannes Calvin zu dem kam, was man in der Literatur „Durchbruch der Reformatorischen Erkenntnis „ heißt, hat er Schriften Luthers gelesen. Dennoch ist sein Bildungsumfeld anders als das Luthers und Zwinglis. Calvin ist Universitätsgelehrter. Seine Ausbildung hat er in Paris, in Orleans, in Bourges und wie der in Paris genossen. Calvin ist von Hause aus Jurist. Zur Theologie ist er vor allem im Selbststudium gekommen. So hat er sich eine gründliche Kenntnis der Bibel und der Kirchenväter angeeignet. Das prägt seinen Blick auf die Dinge, auch seinen theologischen Blick auf die rechtliche Gestalt der christlichen Gemeinde. In weit größerem Maße als noch Martin Luther und Huldrych Zwingli ist Johannes Calvin auch in die europäische Reformationsgeschichte verwickelt. Genf wird der Ort, an dem die Theologen der verfolgten reformierten Kirchen ausgebildet werden. Calvin unterhält einen regen Briefwechsel mit Menschen in Italien und in Ungarn, in Böhmen und in Schottland, und natürlich auch nach Deutschland, besonders zu Philipp Melanchthon, mit dem er sich befreundet weiß. Die lutherische Reformation hingegen bleibt zunächst auf das deutsche Sprachgebiet beschränkt, bis sie endlich auch in Nordeuropa Fuß fasst.
Johannes Calvin ist vor allem wirksam in seinen Schriften. Seine Institutio Christianae Religionis – Unterricht in der christlichen Religion erscheint zuerst 1536 in Basel, letztmalig 1559 in Genf. Sie ist die ausführlichste Dogmatik der Reformationszeit, systematisch gegliedert von der Schöpfung bis zur Weltvollendung mit eindeutigem Schwerpunkt auf der Entfaltung der Christologie und den Gnadengaben Christi in Rechtfertigung und Heiligung. Calvin wirkt über seine Dogmatik und über seine Briefe.
Die Person Calvins ist sperrig. Es fehlen die „Tischreden“, die die Gestalt Luthers so farbig erscheinen lassen. Es fehlen die Anekdoten wie die vom Auftritt Luthers in Worms oder vom Wurf mit dem Tintenfass nach dem Teufel. Calvin ist arm an Anekdoten. Auf den Bildern wirkt er streng – wie übrigens alle Gelehrte des 15. Jahrhunderts auf den Bildern und Kupferstichen streng wirken! Aus seiner kurzen Ehe mit Idelette de Bure ist uns so gut wie nichts bekannt. Lediglich die Erzählung, dass nach Calvins Tod die Möbel sofort aus der Wohnung geräumt wurden, weil sie der Stadt Genf gehörten, wirft ein Licht auf die Lebensverhältnisse dieses Mannes.
Also ranken sich die Legenden um seine Strenge. Schon zu Lebzeiten wirft man ihm vor, die Stadt Genf als ein Tyrann zu regieren. – Ungeachtet der Tatsache, dass Calvin niemals ein politisches Amt in Genf innehatte, das ihm die Macht gegeben hätte, sie als Genfer Tyrann zu gebärden. Man wirft ihm vor, strenge Gesetze gegen Glückspiel und Luxus erlassen zu haben und vergisst dabei, dass diese staatlichen Sparmaßnahmen dazu dienen sollten, den Flüchtlingen aus Frankreich in Genf Unterkommen und Auskommen zu schaffen. Auch für die Ordnung der Genfer Gemeinde und die Maßnahmen der Kirchenzucht zeigt man im Allgemeinen wenig Verständnis, obwohl gerade die Kirchenzucht kein reformiertes oder gar calvinisches Proprium ist. Hätte man Johannes Calvins Briefe zur Kenntnis genommen, man hätte sich selber ein Urteil darüber bilden können, wie seelsorglich er mit den Menschen umgeht, wie er Verständnis zeigt, wie er tröstet und selbst einen Selbstmörder nicht verdammt.
Und man wirft ihm natürlich die Hinrichtung des Michel Servet vor - wie das mit aller Verve Stephan Zweig in seiner Novelle Castello gegen Calvin getan hat. Zweig wollte ein Buch gegen den Tyrannen Hitler schreiben, und er sucht sich Calvin, um an seinem Beispiel zu zeigen, wie Tyrannei funktioniert. Zweig verwendet keine Mühe darauf, die wirklichen Rechtsverhältnisse zu klären. Er erwähnt nicht, dass die Leugnung des dreieinigen Gottes überall in Europa mit dem Tode betraft wurde. Richtig ist, dass Calvin in seinem Gutachten nicht zugunsten Servets ausgesagt hat. Er war mit der Todesstrafe einverstanden. Übrigens hat ihm Melanchthon zu dieser Entscheidung gratuliert. In Wittenberg hätte den spanischen Arzt ein ähnliches Schicksal getroffen. Dafür interessiert sich Zweig aber nicht. Und so setzen sich die tendenziellen Fehlurteile von Generation zu Generation fort, erscheinen in Schulbüchern und Schulfunksendungen.[3]
Vor allem mit diesen Fakten, Vorurteilen und Zusammenhängen hat sich ein sachgerechtes Erinnern an Johannes Calvin – 500 Jahre nach seinem Geburtstag – auseinanderzusetzen gehabt. Aus der Fülle der Veranstaltungen und Veröffentlichungen werde ich einige wenige herausgreifen, die deutlich machen, wie dieser bedeutende europäische Theologe wieder in die Erinnerung einer Öffentlichkeit gebracht wurde, die ihn schon ganz vergessen hatte.
Calvins 500. Geburtstag wurde gefeiert – überall dort, wo reformierte Christenmenschen leben: In der Schweiz und in Deutschland, in den Niederlanden und in Ungarn, in Schottland und in Tschechien, natürlich in den USA und in Canada, in Kuba, in Schwarzafrika, in Korea und in Japan und selbstverständlich auch in Südafrika, das eine nicht unproblematische Geschichte mit dem Genfer Kirchenvater hat.
Besonders in Genf wurde Calvins Geburtstag mit einigem Aufwand gefeiert. Es gab eine Großveranstaltung an der Mauer der Reformatoren am Reformationssonntag in Genf, es gab eine Ausstellung im Calvin-Museum und es gab einen viel beachteten und weltweit ausgestrahlten Pfingstgottesdienst aus der Kathedrale St. Pierre in Genf am 14. Juli 2009. In diesem Gottesdienst sang der Chor die Motette „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ von Johann Sebastian Bach – ein durchaus ökumenisches Zeichen zum Calvin-Jubiläum. Der Gottesdienst kann bis heute im Internet besichtigt werden. Man erreicht ihn über die Schweizer Calvin-Seite.
Was sich in all diesen verschiedenen Ländern im Calvinjahr sonst noch getan hat, das entzieht sich weitgehend meiner Kenntnis. Ich werde mich daher ganz auf die Gestaltung dieses Jahres in Deutschland beschränken.
3. Der historische Blick auf Johannes Calvin
Das Deutsche Historische Museum in Berlin hatte im Jahr 2005 eine große Ausstellung zur Geschichte und Ansiedlung der Hugenotten in Brandenburg Preußen gezeigt. Im Zeughaus Unter den Linden in Berlin wurde damals eine eindrucksvolle Zusammenschau über die französischen Glaubensflüchtlinge geboten, die sich auch kritisch mit der hugenottischen Legendenbildung auseinandersetzte. Ein sorgfältig edierter Katalogband dokumentiert diese Ausstellung.
In der Folge und im Zusammenhang mit dieser Hugenottenausstellung wandte sich das Deutsche Historische Museum im Calvinjahr 2009 dem Calvinismus zu. Schwerpunkt waren dabei nicht so sehr die Person Johannes Calvins als vielmehr sein Wirken in der Schweiz, in Westeuropa und natürlich auch in den deutschsprachigen Gebieten. Die Geschichte der Hugenotten und des französischen Protestantismus wurde dabei verständlicherweise weitgehend ausgeklammert. Es zeigte sich ein buntes Bild einer von Calvin geprägten Kultur, die alle Lebensbereiche durchdrungen hat. Es ging um Malerei ebenso – hier sind vor allem die alten Niederländer zu nennen, einschließlich Rembrandt van Rijn, die das bürgerliche Haus und die öffentlichen Räume für ihre nicht selten biblisch motivierten Gemälde zu nennen, ferner der Aufschwung der Geo- und Naturwissenschaften, die Blüte des Handels durch die Erschließung der überseeischen Gebiete, Buchdruck und Kunsthandwerk bis hin zu den Zeugnissen der Alltagskultur, die das Leben in den reformierten Gemeinden und Familien geprägt hat. Wichtig war auch ein Raum, der der Ausbildung des Psalmengesanges und der altniederländischen Musik gewidmet war – ein deutlicher Widerspruch zu der viel verbreiteten These, dass man in den Reformierten Kirchen keine Kirchenmusik kenne. Die Zusammenhänge sind wesentlich vielschichtiger und farbiger, als gängige Vorurteile und gängige Schulweisheit das bislang haben wahrhaben wollen. Eröffnet wurde die Ausstellung zum Calvinismus unter anderem mit einer launigen Rede des niederländischen Ministerpräsidenten Jan Pieter Balkenende, in der er die Bedeutung Calvins für ethisches Handeln gerade auch in der globalen Finanzkrise hervorhob. Über 30.000 Besucher haben diese Ausstellung im Alten Zeughaus in Berlin gesehen – ein bemerkenswerter Erfolg für ein eher als randständig vermutetes Thema.
4. Calvin und die Evangelische Kirche in Deutschland
Für alle Beteiligten war es ebenso erstaunlich, wie es auch eine große Freude war, dass sich die EKD – du dort vor allem das Kirchenamt in Hannover – sich des Calvinjubiläums 2009 angenommen hat. Die Person und das Werk Johannes Calvins wurden nicht als Sonderfündlein der reformierten Minderheit in Deutschland angesehen, sondern als ein die ganze evangelische Kirche in Deutschland betreffendes Erbe. Um dieses zu unterstreichen wurde schon im Jahr zuvor von der EKD und dem Reformierten Bund in Deutschland die Stelle eines Calvin-Beauftragten eingerichtet, dem die Koordination und Planung von Veranstaltungen und Aktionen aufgetragen wurde und der ebenso zu erstellende Publikationen und Ausstellungen begleiten sollte. Diese Aufgabe hat Pfarrer Dr. Achim Detmers aus der Evangelischen Landeskirche Anhalts übernommen und mit großem Eifer und tiefer Sachkenntnis ausgeführt.
Die erste Publikation, die für die breite kirchliche Öffentlichkeit gedacht war, ist das Calvin-Magazin, das in einer Gesamtauflage von 26.000 Exemplaren erschienen ist. Auch dieses Heft ist eine Gemeinschaftsarbeit der Kirchenkanzlei der EKD und des Reformierten Bundes. In leicht lesbarer Form werden Hinweise auf Leben, Werk und Bedeutung Calvins gegeben, auch ein Calvin-Spiel regt zum Mitmachen an. Es ist eine Material- und Arbeitshilfe für Gemeindegruppen und Schulklassen, und es ist auch entsprechend genutzt worden. Mittlerweile ist in ähnlichem Umfang und in ähnlicher Aufmachung ein Melanchthon-Magazin erschienen, das momentan in den Gemeinden verbreitet wird. Es hat sich gezeigt, dass es publizistisch sinnvoll ist, die Kräfte in der EKD zu bündeln und so zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, die sich dann auch sehen lassen können.
Höhepunkt des Calvinjahres war natürlich die Geburtstagsfeier am 9.Juli 2009 in der Französischen Friedrichstadtkirche zu Berlin. Viele Gäste waren geladen, und viele waren auch gekommen. Musikalisch gestaltet wurde die Feier vom Vocal-Consort Berlin, das in nahezu künstlerischer Vollendung Chorsätze zu den Genfer Psalmen zu Gehör brachte. Auch dies ein Hinweis darauf, wie reich und ausdifferenziert die musikalische Tradition reformierter Kirchenmusik ist – das ist vor allem für die Reformierten selbst wichtig, zu hören und sich selbst einzugestehen. Nicht alles, was spartanisch daherkommt, ist reformiert. Auch im Calvinjahr haben wir noch zu wenig über eine reformierte theologisch-gottesdienstliche Ästhetik nachgedacht, eine Ästhetik, die das biblische Bilderverbot aufnimmt, ohne sich der ästhetischen Gestaltung von Räumen, Gottesdiensten, Musik und Texten zu verweigern - aber dies nur eine Anmerkung am Rande.
Hauptredner bei der Geburtstagsfeier für Johannes Calvin waren der damalige Ratsvorsitzende der EKD Bischof Prof. Wolfgang Huber und der damalige Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, das reformierte Gemeindeglied Dr. Frank Walter Steinmeier. Wie Balkenende, so hob auch Steinmeier die Bedeutung Calvins für die politische Gestaltungsaufgabe hervor. Ich zitiere Frank Walter Steinmeier:
„Calvin war ein Türöffner, in manchem auch ein Mann des Übergangs. Er hat Wege gewiesen, die er selbst nicht mehr gegangen ist. Spätere Generationen haben seine Impulse aufgenommen. Sie haben sie weiterentwickelt und so unsere Gesellschaft entscheidend geprägt. Das gilt ganz besonders auch für das Verhältnis von Religion, Politik und Wirtschaft und die Bedeutung des Calvinismus für die Herausbildung der modernen Demokratie.“ „... Ich glaube, wenn Calvin heute käme, würde er sagen: Schluss mit der Selbstzufriedenheit und dem falschen Stolz! Schaut über eure Grenzen hinaus! Kümmert euch um die Flüchtlinge aus aller Welt! Sorgt dafür, dass euer Haus in Ordnung kommt! Geht gegen Ungerechtigkeit vor! Seid ein Vorbild! Und vor allem: Macht euch verständlich in der Welt! Übersetzt, baut Brücken! Denkt daran, dass die Freiheitsgeschichte Gottes nicht zu Ende ist!“[4]
Am selben Tag lud das Bundesfinanzministerium ein in den Sitz des Beauftragten bei Bundesregierung und Bundesrat, um dort die anlässlich des 500. Geburtstages von Johannes Calvin herausgegebene Briefmarke vorzustellen. Es ist eine 70 Cent-Briefmarke, die das Portrait Calvins nach einem der bekannten Holzschnitte zeigt. Leider wird sich diese Briefmarke nicht sehr verbreiten – wer braucht schon eine 70 Cent Briefmarke?
Der Gottesdienst aus der Französischen Friedrichstadtkirche – dem „französischen Dom“ wie die Kirche am Gendarmenmarkt auch genannt wird am 11. Juli 2009 mit der Predigt des Moderators des Reformierten Bundes Pfr. D. Bukowski aus Wuppertal wurde von der ARD direkt übertragen.
5. Publikationen über Johannes Calvin im Calvinjahr
Diejenigen, die wohl am meisten von Jubiläen und Jahrestagen profitieren, sind die Verlage und die Buchhändler. Naht sich ein kirchliches Jubiläum, dann wird der sonst eher karge theologische Büchermarkt von neuen Titeln geradezu überschwemmt. Man muss sichten und auswählen. Viel Seichtes, schnell geschriebenes findet sich ebenso wie gewichtige wissenschaftliche Veröffentlichungen. Meist sind die Veröffentlichungen, ist das Jubiläum einmal vorbei, auch ganz schnell wieder aus den Auslagen der Buchläden und aus den Katalogen der Verlage verschwunden.
Es würde viel zu weit führen, hier auch nur einen ungefähren Überblick über die Neuerscheinungen zu Calvins 500. Geburtstag zu geben. Einige Hinweise mögen Sie mir dennoch gestatten:
Es ist erfreulich, dass seit dem vergangenen Jahr die Institutio Christianae Religionis, das dogmatische Hauptwerk Calvins wieder in deutscher Sprache greifbar ist. Es handelt sich dabei um eine bearbeitete Neuauflage der Übersetzung von Otto Weber aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Otto Webers Übersetzung ist jetzt auch im Internet abrufbar und steht so jedem Interessierten zum Studium offen.
Seit 1993 gibt der Neukirchener Verlag eine Reihe „Calvin Studien“ heraus, die mittlerweile bis zu Band 7 gediehen ist. In dieser Reihe werden kleinere, schwer zugängliche Schriften und Bibelauslegungen zweisprachig wiedergegeben. Es ist dies ein verdienstvolles Unternehmen, was sich noch weit über das Jubiläum hinziehen wird.
Unter der Fülle der neu erschienenen Calvin-Biographien möchte ich besonders zwei nennen: Es ist zum einen die flott geschriebene, historisch und theologisch aber gut begründete Biographie von Klaas Huizing „Johannes Calvin – und was von dem Reformator übrig bleibt“ (Frankfurt 2008). Huizing bringt die Biographie Calvins immer wieder mit seinen eigenen reformierten Erfahrungen ins Gespräch. Es ist ein überaus anregendes Buch.
Der niederländische Calvin-Forscher Herman Selderhuis hat eine ebenso lesbare wie fundierte Calvin-Biographie vorgelegt, die in leicht verständlicher Form den letzten Forschungsstand wiedergibt „Johannes Calvin – Mensch zwischen Zuversicht und Zweifel“ (Gütersloh 2009) Auch dieses Buch kann man uneingeschränkt der Lektüre empfehlen.
Von Selderhuis stammt auch das „Calvin Handbuch“ (Tübingen 2008). Hier werden in kurzen, wissenschaftlichen Artikeln die unterschiedlichen Aspekte der Biographie und Theologie Calvins beleuchtet – ein unentbehrliches Hilfsmittel für jeden, der sich wissenschaftlich mit Person und Werk Johannes Calvins auseinandersetzen will.
Für Kinder ist ein kleines Calvin-Büchlein erschienen, zu dem meine Kollegin Anne Bremer aus Aschersleben den Text geschrieben hat. Dieses Büchlein wurde schon in mehrere Sprachen übersetzt und findet bei Kindergruppen eine gute Resonanz.
Hinzuweisen ist auch auf zwei Film-Projekte, die sich auf Leben und Werk Johannes Calvins beziehen. Es ist zum einen eine Produktion von Konrad Schmid: „Johannes Calvin – Gott allein die Ehre“ aus dem Hänssler Verlag. In diesem auch auf DVD erhältlichen Film geht es um die Darstellung er Biographie Johannes Calvins. Interviews mit verschiedenen Historikern und Theologen geben ein differenziertes Bild. Dieser Film eignet sich gut für Gemeindeveranstaltungen und für den Unterricht.
Auch die 2. Filmproduktion liegt als DVD vor und kann im Internet bestellt werden: Werner Köhne – „Johannes Calvin –Reformator oder Reizfigur“. Hier wird versucht mittels Spielszenen und Interviews ein Bild der Zeit Calvins zu zeichnen und den Reformator in diese Zeit einzuordnen. Mir sind vor allem die Spielszenen zu düster geraten, was sich auf den gesamten Film niederschlägt.
Über diese veröffentlichten Texte und Filme sind natürlich auch die verschiedenen Aktivitäten im Internet zu erwähnen. Die Web-Site www.reformiert-info.de hält ständig Texte und Material für die Arbeit in Schule und Gemeinde bereit. Was sich sonst im weltweiten Netz tut, das ist nicht zu überschauen. Viele Gemeinden und Kirchenkreise haben ihre Calvin-Site ins Netz gestellt. Sicher sind diese elektronischen Veröffentlichungen nicht immer von der Qualität wie man sie sich wünschen würde, aber das Bemühen, den Genfer Reformator über den Kreis der Kirchen und Gemeinden, die er geprägt hat, hinaus bekannt zu machen, ist aller Ehren wert.
Daneben hielt das Calvin-Marketing auch allerlei Skurriles zum Verkauf bereit. Besonders beliebt waren der Calvin-Regenschirm und der Calvin Wein mit der Aufschrift: In Calvino Veritas
6. Johannes Calvin in der Gemeinde
Wie ist das Calvinjahr in den Gemeinden aufgenommen worden? War es mehr als eine Kopfgeburt, die die ohnehin schon Interessierten erreicht hat, aber darüber hinaus niemanden? Ich glaube nicht. In vielen Gemeinden – nicht nur reformierter Konfession wurde Johannes Calvin zum Thema gemacht. Pfarrerinnen und Pfarrer griffen bei ihren Predigtvorbereitungen auf Calvins Schriftauslegung zurück. Gemeindefeste wurden als Geburtstagsfeste für Johannes Calvin gestaltet. Aus dem Büro des Calvin Beauftragten in Hannover gab es eine Calvin-Kiste für die Gemeinde mit Materialien für die Konfirmandenarbeit, mit Plakaten für den Schaukasten der Gemeinde und mit einer in Hannover erarbeiteten Ausstellung über Leben und Werk Johannes Calvin im handlichen Kleinformat. Die große Calvin-Ausstellung mit ihren 14 Tafeln tourt nach wie vor in mehreren Exemplaren durch Deutschland. Sie ist – nach meinem Kenntnisstand immer noch ausgebucht. Ich hatte das Vergnügen und die große Ehre , die Calvin-Ausstellung in der Wittenberger Stadtkirche mit einigen Hinweisen zu Gestalt und Bedeutung Johannes Calvins eröffnen zu dürfen.
In Ergänzung zu dieser Calvin-Ausstellung und in derselben Aufmachung haben das Archiv der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands , die Evangelische Landeskirche Anhalt, der Verein für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen und der Reformierte Kirchenkreis der EKM eine Ausstellung über die Geschichte der Reformierten Gemeinden in Mitteldeutschland zusammengestellt. Auch diese Ausstellung, die mit einem Kirchenkreisfest des Reformierten Kirchenkreises im vergangenen August in Magdeburg in der Walloner Kirche eröffnet wurde, zieht mittlerweile durch die Gemeinden im Land und ist bis 2011 ausgebucht.
Ich selbst durfte mit einem Calvin-Vortrag etwa in 20 Gemeinden, Pfarrkonventen, Gesprächkreisen etc. in unserer größer gewordenen Kirche herumreisen. Das Interesse an Information und an Auseinandersetzung war groß, und man kann nur hoffen, dass ein grundständiges Interesse über das Jubiläum hinaus bleibt.
7. Der Versuch eines Fazits
Das Calvinjahr ist vorübergegangen. Es hat die Welt nicht aus den Angeln gehoben. Es hat auch keine bahnbrechenden Neuerkenntnisse oder Aufbrüche gegeben. Es war ein Geburtstagjahr, ein Jubiläumsjahr, das vor allem das Ziel hatte, Johannes Calvin einer breiteren auch kirchlichen Öffentlichkeit ins Gedächtnis zu rufen und vielleicht mit einigen Vorurteilen aufzuräumen, die den Blick auf ihn und seine Bedeutung lange verstellt haben. Ob dieses Ziel letztlich erreicht worden ist?
Alle mir bekannten Auswertungen des Calvinjahres sprechen von einem Erfolg. Viele Menschen wurden erreicht. Viele haben sich interessieren lassen. Viele waren auch bereit, über ihre fest gefügten Vorurteile erneut nachzudenken. Calvin wurde unter die Leute gebracht. Und manch einer wird auch gespürt haben, dass der deutsche Blick auf die Reformation und dabei vor allem auf die Person Martin Luthers ein zu enger Blick ist. Die europäische Perspektive ist weiter und bezieht auch die Schweizer Reformatoren mit ein.
Es bleibt zu hoffen, dass es aus dem Calvinjahr auch theologische Impulse gegeben hat: Dass Theologie ihren Grund in der Schriftauslegung hat – das hat man bei Calvin lernen können. Sein ökologisch-theologischer Ansatz in der Schöpfungslehre, die die Schöpfung als Theatrum Dei Gloriae beschreibt, könnte für unseren theologischen Umgang mit der Schöpfung fruchtbar werden. Weiterhin verdient der differenzierte Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung neue Aufmerksamkeit wie auch ein erneutes und Calvin sicher nicht in allem folgendes Verständnis der Erwählungslehre. Seine Lehre von der Gestalt der Gemeinde hat längst über den engen Kreis reformierter Kirchen hinaus gewirkt.
Von Johannes Calvin und seiner Theologie ist noch einiges zu erwarten. Wenn das Calvinjahr diese Erwartung wach gehalten und hier und da auch neu formuliert hat, dann hat es seinen Zweck erfüllt.
Das Calvinjahr 2009 fiel in die Reformationsdekade, die ihr Ende und ihren Höhepunkt in den Gedenkfeierlichkeiten zum 500. Jubiläum des Thesenanschlags Luthers in Wittenberg finden soll. Das Melanchthonjahr 2010 ist eine weitere Etappe auf diesem Weg. Die Reformierten werden 2013 das 450jährige Jubiläum des Heidelberger Katechismus begehen – auch das eine Gelegenheit, über reformierte Theologie und ihre Bedeutung für den gesamten Protestantismus ins Gespräch zu kommen.
Der Präsident des Reformierten Weltbundes, Kirkpatrick erklärte anlässlich der Jubiläumsfeiern in Genf:
„Dieses Jahr hat die reformierten Christen zueinander und zu ihren Wurzeln geführt“, erklärt Kirkpatrick. „Der Fokus auf Calvin hat viele Reformierte ihr Erbe und ihre Verbindungen zueinander wieder neu schätzen lernen lassen. Wir entschuldigen uns nicht mehr für Calvin, wir haben viele Aspekte in seinen Gedanken und Taten gefunden, die wahrhaft lebensspendend für unsere Zeit sind.“
So hangeln wir uns von Jubiläum zu Jubiläum. Wir sollten dabei aufpassen, dass wir in allem bei der Sache bleiben, dass wir die Inhalte, um die es geht, in den Vordergrund rücken und so immer auch auf die Herausforderungen unserer Gegenwart bezogen bleiben. Wir gedenken der Lehrerinnen und Lehrer, die uns das Wort Gottes gesagt haben voller Dankbarkeit, aber wir bleiben nicht bei ihnen stehen. Wir lassen uns von ihnen anregen und hören, wie sie die Schrift ausgelegt haben, aber im dauernden Gespräch mit ihnen müssen wir unsere eigenen Antworten finden, damit wir unseren Zeitgenossen gerecht werden können. Wenn das Jubiläum hierzu eine Hilfe ist, dann ist es gut gewesen, und dann mag ein anderes Jubiläum kommen, das uns auf unserem Weg wieder ein Stück weiter bringt.
Halle, den 11. April 2010
1. "Wie käme denn ich armer stinkender Madensack dazu, dass man die Kinder Christi mit meinem heillosen Namen nennen sollte?" - Weimarer Ausgabe sämtlicher Schriften Luthers, Band 8, 637; auf die Frage ob man seine Anhänger "lutherisch" nennen solle
[2] (Barth, Gesamtausgabe, V. Briefe 2. Band, 1974, S. 80)
3. „Die Assoziation ist deutlich; und schnell ist aus dem reformatorischen Genf Calvins das Nazideutschland Adolf Hitlers geworden. Dabei ist dies historisch völlig unzutreffend: Die diktatorische Position, die Zweig Calvin zuschreibt, hatte dieser nie inne. Calvin war nicht der von Zweig dargestellte Diktator und das Genf seiner Zeit nicht eine frühere Version der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Hier haben Zweig und die, die seiner Interpretation gefolgt sind, Calvin Unrecht getan.“ Wolfgang Huber auf www.calvin.de/wirken/zweig.html
[4] Quelle: Auswärtiges Amt, /www.firmenpresse.de/pressinfo102060.html am 11-April 2010
Martin Filitz, Pfarrer in Halle
Martin Filitz ''Erinnerungen an Johannes Calvin. Nachträge zum Calvin-Jahr''.pdf