Die Geschichte von der Berufung Samuels habe ich als Kind wie keine andere geliebt. Wie habe ich mir gewünscht, dass mir das auch einmal passieren würde. Denn gegenüber dem mir etwa gleichaltrigen Samuel hatte ich durch die sehr aufmerksame Lektüre meiner Kinderbibel einen großen Vorteil: Ich hätte im Fall der Fälle genau gewusst, was ich sagen muss, wenn ich im Schlaf die Stimme höre.
Beim Einschlafen dachte ich ein bisschen darüber nach, ob eigentlich auch Mädchen berufen werden können. Und ich dann vielleicht besser mit „Deine Magd hört“ antworten sollte? Leider wachte ich morgens immer unberufen auf. Außer ihrem kindlichen Helden hatte die Geschichte noch mehr zu bieten, vor allem viel Drama. Seine arme Mutter Hanna, die es fertigbrachte, ihren so heiß ersehnten Sohn im Tempel abzugeben. Nur einmal im Jahr durfte sie ihn besuchen und brachte ihm jedes Mal etwas Neues zum Anziehen mit, was mich besonders rührte.
Dann die ruchlosen Söhne des Priesters Eli, über deren Verkommenheit selbst in der Kinderbibel-Version kein Mäntelchen gebreitet wurde. Der alte, blinde Eli selbst, der offenbar nur noch mit brüchiger Stimme vom Bett aus letzte Hinweise geben konnte, was man tun muss, wenn man die Stimme Gottes im Schlaf hört. Wie gesagt, ich bin stets unberufen aufgewacht. Und denke heute, Jahrzehnte später, dass diese Geschichte mir trotzdem eine Vorstellung davon gegeben hat, was es heißt, berufen zu sein.
Zuerst einmal: Ich bin tatsächlich Pfarrerin geworden. Es geht also auch bei Mädchen. Man kann das lernen, hauptberuflich etwas mit Gott zu machen. Es dauert einige Jahre und in denen wächst man in manches hinein und aus manchem auch wieder heraus, so wie Samuel aus seinen Jahr für Jahr zu klein gewordenen Gewändern. Meine Erfahrung, der von Samuel auch nicht unähnlich: Lange Zeit ist man die Anfängerin. Überdurchschnittlich lange wird man auch noch jenseits der Lebensmitte für jung gehalten, vielleicht weil einen so viele ältere Männer umgeben. Und manchmal tröstet man sich daran, dass deren Zeit langsam, aber sicher zu Ende geht. Während man selbst hoffentlich noch einiges vor sich hat.
Lieber Hannes, Du heißt Hannes und nicht Samuel. Aber um eine Berufung geht es trotzdem, auch bei Dir. Die EKD und die UEK und der Reformierte Bund mussten dreimal rufen, bis Du geantwortet hast: Hier bin ich. Schon Samuel hat ja offensichtlich Schwierigkeiten gehabt, die Stimme Gottes zu erkennen. Und vielleicht sollte man auch grundsätzlich nicht erwarten, dass Gott aus der Stellenbörse der EKD heraus zu einem spricht – oder doch?
Wir alle sind froh, dass Du die Antwort gegeben hast, die wir gerne hören wollten: Hier bin ich. Ich traue mir das zu. Ich werde in meine Aufgaben hineinwachsen wie Samuel Jahr für Jahr in seine neuen Kleider. Ich werde mich in dem schon wieder renovierungsbedürftigen Tempel der EKD in der Herrenhäuser Straße ebenso zurechtfinden wie in der Geschäftsstelle des Reformierten Bundes in der Knochenhauerstraße. Und dabei hoffentlich nicht allzu vielen gänzlich ruchlosen und auch nicht nur blinden und kraftlosen Menschen begegnen.
Hier bin ich, hast Du gesagt. Es geht also auch bei Pfarrern, die aus einem Dorf in der Schweiz zurück nach Deutschland kommen. Es geht bei allen. Weil Gottes Gaben und Berufungen Gott nicht gereuen können und weil jede und jeder von uns sie hat. Man kann nicht zu jung sein dafür und nicht zu alt, nur Ohren braucht man, um zu hören. Du willst Deine Gaben nun zum Besten des Referats Reformierte Theologie im Amtsbereich der UEK und zum Besten des Reformierten Bundes einsetzen. Dafür bitten wir Gott um seinen Segen, für Dich, für Deine Familie und für uns alle. Amen